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BIG-Design aufzuhören. Wobei meine letzten Tage in der Agentur ohnehin gezählt sein dürften. Nach meinem zweiwöchigen Leben als Einsiedler weht ein eisiger Wind zwischen Herrn Beaujean und mir. Es bleibt die Hoffnung, dass mein Erspartes und der Rest vom Erbe meiner Eltern für die nächste Zeit ausreichen.
Ring, Ring – das Telefon klingelt.
Gut. Ich lüge. Ring Ring macht es nicht mehr. Die Vorkriegsmodelle haben wir alle aussortiert. Aber versuchen sie einmal, diese neumodischen Klingeltöne in Schrift darzustellen!
Ich drücke den Gesprächsannahmeknopf meines Headsets.
»Andreas. Kommst du rüber zu Jans Arbeitsplatz? Wir wollen ihm jetzt unser Geschenk geben.«
»OK, Lea. Bis gleich.«
Alltäglichkeit ist doch eine beruhigende Sache. Die Situation mit Lea und Chris war zwar anfangs eine harte Chose … aber nachdem man mir zugesichert hat, dass das erste gemeinsame Kind auf den Namen Andy getauft werden wird, war ich fast zufrieden.
Schön wäre es selbstverständlich gewesen, wenn man den so rasch veränderten Beziehungsstatus seiner beiden Freunde nicht über ein Sozialnetzwerk erfahren müsste. Nachdem bei Lea und Chris plötzlich sind in einer Beziehung angezeigt wurde, war ich sofort versucht, meine Mitgliedschaft in Zuckerbergs Verein zu kündigen.
Andererseits … schlimmer, als die gesamte Angelegenheit einfach zu akzeptieren, wäre es für mich gewesen, gleich zwei enge Freunde zu verlieren. Zudem hätte ich beim Onlinegaming das ganze virtuelle Gemüse auf meiner Farm nicht mehr ernten können.
Mit dem Geschenk unter dem Arm gehe ich in Richtung von Jans Schreibtisch. Seit der Renovierung ist die Bildbearbeitung ein fast himmlischer Ort. Der alte Nikotingestank ist dem Geruch Formaldehyd-verseuchter Duftbäumchen gewichen. Louis – unser Haustechniker – hatte tatsächlich alle Wände neu tapeziert.
Der anschließend bestellte Schuttcontainer war alsbald Ziel vieler Jugendlicher. Seitdem die Zigarettenautomaten so massiv gegen den Missbrauch Minderjähriger geschützt sind, ist es eben schwer, an Tabak zu gelangen. Und bei den vielen Quadratmetern an Tapete kommt so einiges an Rauchzeug zusammen. Das einzige, was hier jetzt noch nach Rauch riecht, sind die Geburtstagskerzen auf Jans Torte.
»Happy Birthday, Moss Man!«, Lea setzt Jan einen Kuss auf die Wange und ich reiche ihm das große Paket.
»Danke. Weiß nicht, womit ich das verdient hab. Eigentlich müssten wir dir doch etwas zum Abschied schenken. Was is’n das?«
»Quatsch nicht. Ich bin ja nicht aus der Welt – pack schon aus. Das ist von Lea, Chris und mir«, sage ich und umarme ihn dabei heftig.
Für das Einpacken des Geschenks habe ich es mir selbst verboten, den doofen Karton-in-Karton-in-Karton-in-Karton-Trick zu verwenden. Der Gag ist so alt, dass ihn die Neandertaler schon nicht mehr gemacht haben. Man muss auch an die Umwelt denken! Das Ergebnis ist nur eine Menge Verpackungsmüll und ein trauriges Gesicht des Beschenkten, der glaubt, dass da mehr hätte kommen muss.
»FETT! Eine Baustellenlampe. Wann habt ihr die denn mitgehen lassen?«, freut sich Moss Man.
»Ne ne. Die haben wir gekauft. Bist du bescheuert! Nach der Eskapade von Chris und dir in Düren, habe ich auf so was keinen Bock mehr gehabt. Wenn du das Ding anmachst, passiert auch was ganz Lustiges«, sage ich.
Moss Man macht die Lampe an und ist dabei so hektisch wie ein kleines Kind, das auf Heilig Abend Geburtstag hat und mit der Vielzahl an Geschenken überfordert ist.
Dumm ist Jan nicht, flugs hat er den Schalter gefunden. In verschiedenen Zeitabständen beginnt die Lampe nun zu blinken.
»Ist die kaputt oder wie?«, wundert sich dieser.
»Nö. Man kann das Ding programmieren lassen. Sie blinkt ein SOS. Wenn du nochmals in eine Baugrube voll von Schlamm fällst, kannst du so um Hilfe rufen.«
»Höhö. Danke, Leute. Das wird Petra freuen. Ich muss ihr oft den Bauarbeiter machen.«
Oh nein – ich kann seine Geschichten nicht mehr hören.
Eine kleine Abschiedsrunde Champagner später machen wir uns fertig. Unsere Reisetaschen stehen parat, das Handgepäck ohne anschlagsverdächtige Getränkeflaschen ebenso. Ich verschwinde zuvor, zum wohl letzten Male, in meine Lieblings-WC-Kabine Nummer sieben, nachdem ich mich von Lea endgültig verabschiedet habe.
Auf dem Weg nach unten treffe ich Colonel Louie Scatman. Als ich ihm erzähle, dass dies mein letzter offizieller Arbeitstag in der Firma sein würde, fängt er an, bitterlich zu
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