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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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einer dichten Wand ballten. »Da braut sich ein mächtiges Gewitter zusammen.«
    Wenn es etwas gibt, wovor Steffi Angst hat, dann sind es Gewitter. Zu Hause kriecht sie ins Bett, nimmt den ebenfalls zitternden Jojo in den Arm und vergräbt sich unter der Decke. Erwischt es sie unterwegs, rekapituliert sie die These vom Faraday-Käfig und hofft auf ihre Richtigkeit. Es ist auch völlig sinnlos, ihr zum einhundertneunundsiebzigstenmal den Zusammenhang zwischen Warm- und Kaltluft zu erklären; sie kennt ihn und fürchtet sich trotzdem. Weshalb sie allerdings vor dem Donner Angst hat und nicht vor den Blitzen, ist ihr Geheimnis geblieben. »Wir würden geradewegs in das Gewitter hineinfahren.«
    Das half. »Dann bleiben wir am besten gleich hier«, entschied sie, »vielleicht kriegen wir von dem Unwetter gar nichts ab.«
    Es mußte sich um den Vorort eines Vorortes handeln, denn die Häuser sahen alle sehr neu aus, und die Gärten befanden sich noch im Urzustand. Die einzigen Farbtupfer in der lehmigen Wüstenlandschaft bildeten zerfetzte Zementsäcke und zerbrochene Ziegel. Kein Baum versperrte den Blick über den Ort, doch gleich dahinter begann ein Wald, und genau den steuerte Steffi an. In dem kleinen Krämerladen suchten wir noch unser Abendessen zusammen – sogar frischen Spargel gab es und Erdbeeren –, dann fuhren wir den Waldrand so lange ab, bis wir ein Stückchen Wiese fanden. Tür auf, Hunde raus, Gartenmöbel wieder unterm Wagen deponiert, Herd und Kühlschrank auf Gas umgeschaltet – jetzt, da sich die Reise dem Ende näherte, waren wir ein perfekt eingespieltes Team.
    Der Himmel war schwarz geworden, und als die Hunde mit eingezogenen Schwänzen in den Wagen zurückschlichen, wurde Steffi immer kleinlauter. »Ich glaube, wir kriegen doch was ab.«
    Im selben Augenblick wurde es taghell, dann krachte es auch schon. Steffi schrie auf, die Hunde krochen winselnd unter den Fahrersitz, und mir war die Sache auch nicht mehr ganz geheuer. Blitz folgte auf Blitz, die Donnerschläge hörten gar nicht mehr auf, gingen ineinander über, vervielfältigten sich durch das Echo, und dazu tobte ein Sturm, der den Wagen hin und her schwanken ließ. Die ersten Regentropfen klatschten aufs Dach, dann prasselte es nur noch so herunter. Und immer wieder Blitz und Donner. »Hört denn das überhaupt nicht auf?« Steffi grub ihren Kopf tiefer ins Kissen. »Sonst ist ein Gewitter doch nach zehn Minuten vorbei.«
    Dieses hier dauerte schon über eine halbe Stunde.
    »Vergiß nicht, daß rundherum Berge sind. Es hängt fest und kommt nicht rüber.«
    »Wir hätten nicht so dicht an den Wald fahren sollen«, lamentierte sie weiter, »da schlägt der Blitz doch immer zuerst ein.«
    Moment, wie war das noch gleich mit den großmütterlichen Sprüchen? Vor den Eichen sollst du weichen. Doch die Buchen sollst du suchen. Alles Blödsinn, der Blitz schlägt immer an der höchsten Stelle ein. Es ist ihm völlig egal, ob das eine Eiche, eine Buche oder eine Zypresse ist. Davon mal abgesehen, standen hier sowieso bloß Kiefern, und die waren viel höher als unser Auto.
    Immer wieder krachte es. Ab und zu gönnte uns das Gewitter eine kleine Atempause, weil es scheinbar abzog, doch Minuten später kehrte es in voller Stärke wieder zurück. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Nur der Regen ließ nach. Eine Zeitlang war ich mir vorgekommen wie in einer Autowaschanlage, doch allmählich konnte man durch die Fensterscheiben wieder etwas sehen. Als erstes fiel mir auf, daß die ganze Ortschaft im Dunkeln lag, und als zweites, daß sich ein munteres Bächlein abwärtsschob, das vorher noch gar nicht dagewesen war. »Läßt sich dieses Wohnmobil eventuell zu einem Hausboot umfunktionieren? Wenn es so weiterregnet, ist aus dem Weg hier rauf bis morgen ein Fluß geworden.«
    »Ist doch egal«, tönte es dumpf aus dem Kissen, »die Nacht überleben wir sowieso nicht.«
    Plötzlich ein neues Geräusch. Jemand warf Murmeln aufs Dach. Sogar Steffi nahm den Kopf hoch.»Was is ’n das nun schon wieder?«
    »Hagelkörner.«
    Sie sah ängstlich nach oben. »Hoffentlich hält der Wagen das aus. Dem Krach nach müssen die Dinger so groß wie Tischtennisbälle sein.«
    »Nun übertreib nicht gleich. Ich möchte sowieso mal wissen, wie eigentlich die Hagelkorngröße bestimmt worden ist, als es noch keine Ping-Pong-Bälle gab.«
    Sie grinste kläglich, hielt sich aber sofort wieder die Ohren zu, als der nächste Donnerschlag krachte. »Ich werde noch

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