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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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reichlich zahlen, wenn Ihr mich heute noch in die Hul hinüber schifft.«
    »Und wenn Ihr noch mehr zahltet, als ich verlangen wollte, so wäre es dreimal unmöglich. Erstens stehen alle Kähne in dem Bohlenverschlusse, das Tor ist gesperrt, und jeder Kahn liegt noch mit einem Schlosse an seinem Balken angeschlossen, wovon ich keinen Schlüssel habe Zweitens, wenn auch ein Kahn wäre, so wäre kein Fährmann. Ich werde es Euch erklären. Seht Ihr dort gegen den Orla zu die weißen Flecke, die auf dem See sind? Das sind Nebelflecken, die gleichsam auf den Steinen des Orlaufers sitzen. Wir heißen sie die Gänse. Und wenn die Gänse einmal in einer Reihe da sitzen, dann kömmt Nebel. Wenn die Abendwehe, das ist der Wind, der nach jedem Sonnenuntergange aus den Schluchten auf den Sec heraus geht, aufhört, dann ist in einer halben Stunde der See mit Nebel angefüllt, und da kann man nicht wissen, wohin ein Kahn zu leiten ist. Unter dem Wasser laufen die Gebirgsgrate hin, die oft nur ein wenig bedeckt sind. Wenn man zu einem solchen Grate geriete und ein Leck in das Schiff stieße, da müßte man aussteigen und in dem Wasser stehen bleiben, bis man am Tage von jemanden gesehen würde. Aber man würde von niemanden gesehen, weil die Fischer niemals zu den Gebirgsgraten hinzufahren. Begreifet Ihr das, junger Herr?«
    »Ja, ich begreife es,« antwortete Victor.
    »Und zum dritten kann ich Euch nicht überführen, weil ich sonst ein ungetreuer Diener wäre. Der Herr hat mir keinen Auftrag gegeben, Euch in die Hul zu führen, und wenn er dies nicht tut, so führe ich Euch nicht über.«
    »Gut,« antwortete Victor, »so bleibe ich hier so lange sitzen, bis morgen ein Fahrzeug so nahe kömmt, daß ich es herzu zu winken vermag.«
    »Es kömmt aber kein Fahrzeug so nahe«, erwiderte der Diener; »es ist über unseren See kein Warenzug, weil der einzige Weg, der vom andern Ufer weiter führt, nur ein Fußweg über die Grisel ist und die Wanderer zu diesem Fußwege an dem unserer Insel entgegengesetzten Seeufer hinfahren. Dann ist die Brandung an den Gestaden der Insel so groß, daß sich wenige Fische da aufhalten und selten Fischerboote so nahe kommen. Es könnten acht oder mehr Tage vergehen, ehe Ihr eines seht.«
    »So muß mich morgen mein Oheim in die Hul zurückführen lassen, weil ich auf sein Verlangen hieher gekommen bin, und weil ich nicht mehr länger da bleiben will«, sagte Victor.
    »Es kann sein, daß er es tut,« antwortete der Diener, »ich weiß das nicht; aber jetzt wartet er mit dem Abendessen auf Euch.«
    »Wie kann er warten,« sagte Victor, »da er gemeint hat, ich solle meinen Spitz ertränken, da er gesagt hat, daß er nicht öffnen wolle, wenn ich es nicht tue, und da er mich hierauf fort gehen sah und mich nicht zurück gerufen hat.«
    »Das weiß ich alles nicht,« erwiderte Christoph, »aber Eure Ankunft ist in der Klause bekannt, und es war auf dem Tische für Euch gedeckt. Der Herr hat mir aufgetragen, Euch zu rufen, weil Ihr die Eßstunde nicht wißt, sonst hat er nichts gesagt. Weil ich es aber gesehen habe, wie Ihr von dem Eisengitter fortgelaufen seid, so dachte ich gleich, als er mir den Auftrag gab, Euch zum Essen zu rufen, ich müsse an diesen Ort gehen, ich würde Euch hier finden. Anfangs, da ich Euch nicht sah, meinte ich gar, Ihr seid gleich wieder über das Wasser davongefahren, aber es war ja nicht möglich, der Mann, der Euch gebracht hat, muß ja schon um die Orlaspitze zurück gewesen sein, als Ihr hieher wieder zurück kamet.«
    Als Victor hierauf nichts erwiderte, stand der Mann noch ein Weilchen, dann sagte er wieder: »Der Herr wird gewiß bereits zu essen begonnen haben; denn er hat seine festgesetzten Stunden und gebt davon nicht ab.«
    »Das ist mir eine gleichgültige Sache,« antwortete Victor, »er mag essen und sich sättigen, von seinem Mahle verlange ich nichts; denn ich und mein Spitz haben unsere Brode, die ich mir aufgehoben habe, schon verzehrt.«
    »Nun so muß ich also gehen und ihm das melden,« sprach der Diener weiter, – »aber das müßt Ihr bedenken, daß Ihr, wie Ihr vorher selber sagtet, gekommen seid, weil es der Oheim begehrt hat, daß er also mit Euch zu sprechen wünscht, und daß Ihr das selber unmöglich macht, wenn Ihr in dem Gebiete seines Hauses unter freiem Himmel sitzen bleibt.«
    »Ich wollte zu ihm gehen,« erwiderte Victor, »ich wollte mit ihm sprechen und ihn ehrerbietig grüßen, die Mutter hat mir auch gesagt, daß es gut sei, und der

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