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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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schon getrunken hatte; denn bei jeder Flasche stand ein eigentümliches Glas mit einem Restchen Wein am Boden. Nur eine Flasche stand noch neben dem Teller, und aus derselben schenkte der alte Mann von Zeit zu Zeit ein Schlückchen in ein kleines, grünbauchiges Stengelglas. Für Victor war indessen eine Suppe gebracht worden, von welcher er mit seiner rechten Hand aß, während er mit der Linken das Haupt des unten sitzenden Spitzes an sein Knie drückte. In der Zeit, in welcher er seine Suppe aß, waren von einem alten Weibe nach und nach so viele Speisen für ihn herbei getragen worden, daß er in Verwunderung geriet. Er aß davon, bis er satt war, dann ließ er das übrige stehen. Der Oheim hatte ihm von den Weinen nichts angetragen, Victor verabscheute auch noch den Wein, sondern schenkte sich von dem Wasser, das in einer kristallschönen Flasche von derselben alten Frau, die aufwartete, alle Augenblicke erneuert wurde, ein, und erkannte, daß er nie ein so vortreffliches, frisches, pralles und starkes Wasser getrunken habe. Während er sich sättigte, aß der Oheim noch ein Stückchen Käse, dann allerlei Früchte und Zuckerwerk. Hierauf trug der alte Mann die verschiedenen Teiler, auf denen Glasglocken über den Dingen des Nachtisches standen, eigenhändig in Schreine, die in die Mauern gefügt waren, und sperrte sie ein. Dann tat er die Restchen Wein jedes in seine Flasche und schloß die Flaschen in ähnliche Schreine ein.
    Auf der Stelle des Zimmers, auf welcher der Oheim während dem Essen gesessen war, war ein dichter Teppich gebreitet, und auf dem Teppiche lagen drei alte, fette Hunde, denen der Greis von Zeit zu Zeit bald eine Krebsschere, bald eine Mandel, bald ein Stückchen Zuckerwerk hinab gereicht hatte. Schon als Victor mit dem Spitz eingetreten war, hatten alle drei geknurrt, und während dem Essen, wenn er dem armen Spitz ein Stückchen hinab reichte, grinsten sie wieder und ließen ein schwaches Murren hören.
    So lange der Oheim bei seinem Nachtmahle beschäftigt gewesen war, hatte er zu Victor nicht gesprochen, gleichsam als wäre zu keinem andern Dinge Zeit; jetzt aber sagte er: »Hast du das Gerippe doch wieder mit geschleppt ? Wer ein Tier hat, muß es auch ernähren können. Ich habe dir den Rat gegeben, daß du es in den See würfest, aber du hast ihn nicht befolgt. Die Hunde der Studenten habe ich nie leiden können; sie sind wie traurige Gespenster. Und gerade dieses Volk will immer Hunde haben. Wo hast du ihn denn mit genommen und brachtest ihn zu mir, ohne ihm unter Weges etwas zu fressen zu geben ?«
    »Es ist der Hund meiner Ziehmutter, Oheim,« sagte Victor, »ich habe ihn nirgends mit genommen, weder gekauft noch ertauscht; sondern am dritten Tage nach meiner Abreise ist er mir nach gekommen. Er muß stark gerannt sein, was er in seinem früheren Leben nicht gewohnt war; er muß auch große Angst ausgestanden haben, wozu er ebenfalls bei der Ziehmutter nie Ursache gehabt hatte – und deshalb ist er in den darauf folgenden Tagen so mager geworden, wie er nie gewesen ist, obwohl ich ihm gegeben habe, was er nur immer verlangte. Erlaubt daher, daß ich ihn in Eurem Hause bei mir behalte, damit ich ihn der Ziehmutter wieder übergeben kann, sonst müßte ich sogleich zurück reisen und ihn ihr überbringen.«
    »Und da hast du ihn immer so Tag und Nacht bei dir gehabt ?«
    »Freilich.«
    »Daß er dir einmal die Kehle abfrißt.«
    »Das tut er ja nie. Wie fiele ihm denn das ein? Er ist bei meinen Füßen gelegen, wenn ich rastete oder schlief, er hat sein Haupt auf dieselben gelegt, und er würde eher verhungern, ehe er mich verließe oder mir ein Leid täte.«
    »So gib ihm zu essen, und denke auf das Wasser, daß er nicht wütend wird.«
    Das alte Weib hatte, als das Abendmahl aus war, nach und nach die Schüsseln, Teller und andere Reste desselben fort getragen; jetzt kam auch Christoph, den Victor, seit er mit ihm hieher gekommen war, nicht mehr gesehen hatte.
    Der Oheim sagte zu dem hereintretenden Diener: »Sperre ihnen die Stalltür gut zu, daß keiner heraus komme, lasse sie aber vorher auf dem Sande unten ein wenig herum gehen.«
    Auf diese Worte erhoben sich die drei Hunde, wie auf ein bekanntes Zeichen. Zwei folgten Christoph von selber, den dritten nahm er bei dem Balge und schleppte ihn hinaus.
    »Ich werde dir deine Schlafkammer selber zeigen«, sagte der Oheim zu Victor.
    Er ging bei diesen Worten in die Tiefe des Zimmers, wo es bedeutend dunkel war, weil nur ein

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