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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Vormund hat es auch befohlen – aber ehe ich dem Tiere, das mich mit Lebensgefahr aufgesucht und begleitet hat, etwas zu Leide tun lasse, will ich selber eher Verwundung und Tod ertragen.«
    »Es wird dem Tiere nichts geschehen,« sagte Christoph, »der Herr hat Euch nur einen guten Rat gegeben; wenn Ihr ihn nicht befolgt, so kümmert es ihn nicht. Er denkt gewiß nicht mehr darauf; denn sonst hätte er mich ja nicht geschickt, Euch zum Essen zu holen.«
    »Wenn Ihr mir verbürgen könnt, daß dem Hunde nichts geschieht, so will ich mit Euch gehen«, sagte Victor.
    »Das kann ich Euch verbürgen,« antwortete der Diener, »der Herr vergaß der Geringfügigkeit eines Hundes, und wird ihm nichts anhaben.«
    »So komme, lieber Spitz«, sagte Victor, indem er aufstand.
    Er suchte gleichsam mit zitternden Händen eine Schnur aus seinem Ränzlein hervor, dergleichen er immer zu verschiedenen Dingen im Vorrate mit zu führen pflegte, und befestigte dieselbe an dem Ringe des Halsbandes, das der Spitz trug. Hierauf nahm er das Ränzlein auf die Schulter, hob seinen Reisestab vom Boden auf und folgte dem alten Christoph, der ihn den nämlichen Weg führte, den er in der Abenddämmerung gegangen und dann wieder zurück gelaufen war. Er wäre in der Nacht schwer zu finden gewesen, wenn nicht der alte Christoph voran gegangen wäre. Sie gingen durch das Gestrippe, durch die Ahorne, durch den Zwerggarten, durch den breiten Graben, und kamen zu dem eisernen Gitter. Christoph zog hier ein kleines Ding aus seiner Tasche, das Victor für einen Schlüssel hielt; aber es war ein Pfeifchen, und der Diener tat damit einen gellenden Pfiff. Sogleich öffnete sich das Tor von unsichtbaren Händen – Victor begriff es gar nicht – und schlug sich hinter ihnen wieder krachend zu. Victor blickte von dem Sandplatze, auf dem sie nun waren, sogleich auf das Haus. An der ganzen Vorderseite desselben waren nur drei Fenster erleuchtet, zwei im oberen und eines im Erdgeschosse, alles andere war in Finsternis. Christoph führte den Jüngling über die Holztreppe, welche gut gedeckt war, von dem Sandplatze in das erste Geschoß hinauf. Sie kamen in einen Gang und von demselben in das Zimmer, dem die zwei erleuchtetenFenster angehörten. In dem Zimmer ließ Christoph den Jüngling, ohne weiter ein Wort zu sagen, stehen, und ging wieder rückwärts hinaus. An dem Tische dieses Zimmers saß der Oheim Victors ganz allein und aß. Er hatte abends, da ihn Victor zum ersten Male sah, einen weiten grautuchenen Rock angehabt, jetzt hatte er diesen abgelegt und stak in einem weiten, großblumigen Schlafrocke, und hatte ein rotes, goldgerändertes Käppchen auf.
    »Ich bin nun schon an den Krebsen,« sprach er zu dem eintretenden Jünglinge, »du bist zu lange nicht gekommen, ich habe meine festgesetzte Stunde, wie es die Gesundheit fordert, und gehe von derselben nicht ab. Man wird dir gleich etwas auftragen. Setze dich auf den Stuhl, der mir gegenüber steht.«
    »Die Mutter und der Vormund lassen Euch viele Grüße sagen«, hob Victor an, indem er mit dem Ränzlein auf dem Rücken stehen blieb und zuerst die Aufträge seiner Angehörigen, dann seine eigene Ehrerbietung und Begrüßung darbringen wollte.
    Der Oheim aber tat mit beiden Händen, in deren jeder er ein Stück eines zerbrochenen Krebsen hielt, einen Zug durch die Luft und sagte: »Ich kenne dich ja schon an dem Angesichte – so fange an, hier zu sein, wohin ich dich beschieden habe, und wo ich dich als den Beschiedenen erkenne. Wir sind jetzt bei dem Essen, daher setze dich nieder und iß. Was sonst alles zu tun ist, wird schon geschehen.«
    Victor legte also sein Ränzlein auf einen Stuhl, den Wanderstab lehnte er in einen Winkel, und dann ging er gegen den angewiesenen Stuhl, den Spitz an der Schnur hinter sich her zerrend. Der alte Mann, dem er gegenüber saß, hielt sein mageres Angesicht gegen den Teller nieder, und das Angesicht rötete sich während dem Essen. Er riß mit den Händen die Krebse sehr geschickt auseinander, lösete das Fleisch aus und saugte den Saft aus dem Korbe des Oberleibes und dem Geflechte der Füße. Dem Jünglinge war das wohlwollende Herz, das er hieher hatte bringen wollen, erstickt, und er saß stumm dem Verwandten gegenüber, der ebenfalls stumm in dem Geschäfte seines Essens fort fuhr. Es standen mehrere verschieden gestaltete und verschiedenfärbige lange Flaschen auf dem Tische, in denen verschiedene Weine sein mußten, und aus denen der Oheim wahrscheinlich

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