Werke
erhalten, in denen er die Zuschauer bis zum Äußersten hinriß, zur äußersten Begeisterung oder zum äußersten Schauer, so daß sie nicht mehr im Theater, sondern in der Wirklichkeit zu sein meinten, und mit Bangen den weiteren Verlauf der Dinge erwarteten. Besonders soll seine Darstellung hoher Personen von einer solchen Würde und Majestät gewesen sein, daß seither nicht mehr dem Ähnliches auf der Bühne zum Vorscheine gekommen sei. Ein sehr gründlicher Kenner solcher Dinge sagte einst, daß Dall seine Rollen nicht durch künstliches Nachsinnen oder durch Vorbereitugen und Einübungen sich zurecht gelegt, sondern daß er sich in dieselben, wenn sie seinem Wesen zusagten, hineingelebt habe, daß er sich dann auf seine Persönlichkeit verließ, die ihm im rechten Augenblicke eingab, was er zu tun habe, und daß er auf diese Weise nicht die Rollen spielte, sondern das in ihnen Geschilderte wirklich war. Daraus erklärt sich, daß, wenn er sich der Lage grenzenloshingab, er im Augenblicke Dinge tat, die nicht nur ihn selber überraschten, sondern auch die Zuschauer überraschten und ungeheure Erfolge hervorbrachten. Daraus erklärt sich aber auch, daß, wenn er in eine Rolle sich nicht hinein zu leben vermochte, er sie gar nicht, nicht einmal schlecht, darstellen konnte. Darum übernahm er solche Rollen nie, und war durch kein Zureden und durch kein noch so eindringliches Beweisen dazu zu bewegen.
Aus dem Gesagten erklärt sich aber auch das Wesen und die Lebensweise Dalls außer dem Theater. Er hatte ein sehr einnehmendes Äußere, war in seinen Bewegungen leicht und gefällig und trug seinen Körper als den Ausdruck eines lebhaften und beweglichen Geistes, der sich durch dieses Werkzeug sehr deutlich aussprach. Er war heiter, suchte seine Freude, wo er sie fand, und liebte die gesellige Laune, daher man, wenn er hinter einem Glase guten Weines bei plaudernden Freunden saß und selber plauderte, unmöglich glauben konnte, daß das derselbe Mann sei, der unsere Seele in seinen großartigen Darstellungen zu den tiefsten Erschütterungen, zu Angst und Entsetzen und zu Freude und Entzücken treiben konnte. Aber gerade weil er das war, was er spielte, und weil er dafür in seinem Körper den treffendsten Ausdruck fand, so stellten sich die Gefühle, die in seinem feurigen Geiste entstanden, auf der Oberfläche seines Körpers feurig dar, sei es in Bewegung, in Ausdruck, in Stimme, und rissen hin. Darum war er der Liebling der Gesellschaft, er belebte sie und gab ihr Empfindungen. Man suchte ihn, und bestrebte sich, ihn zu fesseln. Er bewegte sich in den mannigfachsten Kreisen, und lernte daraus die leichte und geebnete Freiheit seines Benehmens; aber er wurde von keinem derselben gebannt: wie er sich im Spiele von seinem Geiste leiten ließ, so führte ihn derselbe auch unter Menschen, daß er mit ihnen lebe und empfinde, er führte ihn in die Natur, daß er sie anschaue und fühle; aber er entführte ihn auch wieder von den Menschen, wenn seinem Geiste nichts mehr zur Bewegung gegeben wurde, und er entführte ihn von der Natur, wenn ihre sanfte Sprache aufhörte, ihn zu erregen, und wenn er gewaltigere Eindrücke und tieferen Wechsel suchte. Er lebte daher in Zuständen, und verließ sie, wie es ihm beliebte. Dieser Mann nun war mit dem Rentherrn bekannt, und man konnte sagen, daß er vielleicht in nichts so beständig war als in dieser Bekanntschaft. Er ging sehr gerne, wenn er in was immer für Umgebungen gewesen war, auf den Sanct Petersplatz, stieg die vier Treppen empor, läutete an der Glocke des Eisengitters, ließ sich von der ältlichen Magd öffnen, und ging durch das Vorzimmer in die Heldenstube des Rentherrn. Da saß er und plauderte mit dem Rentherrn über die vielen verschiedenenDinge, die dieser trieb. Ja, vielleicht kam er gerade deshalb so gerne in die Gesellschaft des Rentherrn, weil es da so Mannigfaltiges gab. Besonders war es die Kunst, die Dall in allen ihren Gestalten, ja selbst Abarten anzog. Darum wurden die Verse des Rentherrn besprochen, er mußte auf einer seiner zwei Geigen spielen, er mußte auf der Flöte blasen, er mußte das eine oder das andere Musikstock auf dem Flügel vortragen, oder man saß an der Staffelei und sprach über die Farben eines Bildes oder über die Linien einer Zeichnung. Gerade in dem letzteren war Dall am erfahrensten, und war selber ein bedeutender Zeichner. Zu den Pappgestalten des Rentherrn gab er Länge und Breite, er gab Beziehungen und Verhältnisse
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