Werke
schon daran, daß man das Perronsche Haus umbauen müsse, es wohnen schon nicht mehr viele Leute darinnen, vornehme schon gar nicht, wenn man den Herrn Professor Andorf ausnehme, wie ich ja selber sehr gut wisse, und in wenig Jahren werde gar niemand mehr drin wohnen wollen. Wenn Herr Perron nicht immer in fremden Ländern wäre, so würde er wissen, wie es mit dem Hause stehe, daß es ihm nicht viel eintrage, und daß er besser fahren würde, wenn er es niederrisse und ein anderes an dessen Stelle aufbaute.
Ich kaufte von der Frau einiges Obst, tat es in meine Tasche, und setzte meinen Weg in die Stadt fort.
Als mein Gatte nach Hause gekommen war, und wir bei dem Mittagessen saßen, drückte mich das Gewissen, und ich sagte ihm, was ich getan habe; aber er nach seiner ihm von jeher innewohnenden Güte und Milde beruhigte mich, und sagte, ich hätte vollkommen recht getan, er selber, wenn er das Buch hinüber getragen hätte, und ihm das Gleiche begegnet wäre, hätte nicht anders gehandelt. Das Buch würde schon in die rechten Hände kommen. Deßohngeachtet fragte ich den Professor, als er das erste Mal nach dieser Begebenheit zu uns kam, ob er das Buch erhalten habe, ich hätte es in die Hände des Pförtners des Perronschen Hauses gegeben.
»Das Buch habe ich erhalten,« sagte der Professor, »aber ich habe geglaubt, daß Sie es mir durch jenen alten Mann überschickt haben. Daß wir im Perronschen Hause einen Pförtner besitzen, habe ich gar nicht gewußt, und wenn wir einen haben, so muß es der stillste Pförtner der Welt sein; denn ich habe nie etwas von ihm vernommen. Ich habe einen Schlüssel, durch den ich mir das Pförtchen öffne, wenn ich so spät nach Hause komme, daß es schon verschlossen ist. Übrigens tut es mir leid, daß ich nicht zu Hause gewesen bin, da Sie in das Perronsche Haus gekommen sind, daß ich Sie hätte empfangen und Ihnen die vorkommenden Merkwürdigkeiten des Hauses hätte zeigen können.«
Wieder war seit diesem Vorfalle eine bedeutende Zeit vergangen, als sich ein neues Merkmal zutrug. Unser ältester Sohn Alfred kam einmal von der Schule nach Hause. Er lief eifrig die Treppe heran, er stürzte in die Stube und rief: »Mutter, ich habe ihm nichts getan, Mutter, ich habe ihm nichts getan.«
»Alfred,« sagte ich, »was ist dir denn?«
»Mutter, du weißt das Perronsche Haus,« erwiderte er, »da ging ich auf dem breiten Pflaster des Weges für die Fußgeher, und da sah ich einen Raben auf dem Pflaster sitzen, der sich nicht fürchtete, der nicht fliegen zu können schien, und der vor mir, da ich mich näherte, her ging. Ich duckte mich ein wenig, sprach zu ihm, langte nach ihm, und er ließ sich fangen. Mutter, ich habe ihm nichts getan, ich habe ihn nur gestreichelt. Da sah bei den Erdfenstern des Perronschen Hauses ein fürchterlich großes Angesicht heraus und schrie: ›Laß, laß.‹
Ich blickte nach dem Kopfe hin, er hatte starre Augen, war sehr blaß, und war erschreckend groß. Ich ließ den Raben aus, richtete mich empor, und lief nach Hause. Mutter, ich habe ihm wirklich nichts getan, ich habe ihn bloß streicheln wollen.«
»Ich weiß, Alfred, ich weiß,« sagte ich, »lege deinen Schulsack ab, gehe in die Kinderstube, da wirst du dein Nachmittagbrot bekommen, und schlage dir den Raben aus dem Sinn, es liegt nichts an ihm.«
Der Knabe küßte mir die Hand, und ging leichten Gemütes in die Kinderstube.
Aber mein Gemüt war nicht so leicht, es war nachdenklich geworden. Mir fiel nun das vor vieler Zeit gesehene Paar ein, dem ich einmal in der Richtung nach der Kirche des Krankenhauses nachgegangen bin. Das Mädchen hatte auch damals einen nach des Knaben Ausdruck fürchterlich großen Kopf gehabt. Ich fing nun an, die Begebenheiten zu verbinden. Wenn der von Alfred gesehene Kopf der nämliche gewesen ist, den ich an jenem Mädchen wahrgenommen hatte, so muß das Mädchen in einer unterirdischen Wohnung des Perronschen Hauses wohnen. Wenn ich nun an den Pförtner des Perronschen Hauses dachte, dem ich das Buch für den Professor Andorf gegeben hatte, so dürfte derselbe, wie mir jetzt vorkam, ungefähr die Gestalt und Größe des Mannes haben, den ich mit dem Mädchen über die Straße gehen gesehen hatte. Dann war der Pförtner vielleicht der Vater des Mädchens.
Mir fiel auch noch einmal auf, wie ordentlich, ja anständig sich damals der Pförtner benommen hatte, als er mir das Buch für den Professor Andorf abgenötigt hatte, wie ausgewählt und gut seine
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