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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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man brachte Erfrischungen, und es wurde Mitternacht, ehe wir aufbrachen. Wir lehnten den Antrag unseres Freundes, uns seinen Wagen zu geben, ab, und sagten, es wäre ein Raub an dieser schönen Nacht, wenn wir in dem Wagen säßen und den freien Raum, der zwischen der Stadt und der Vorstadt ist, durchflögen, statt ihn langsam zu durchwandeln und seine freie, erhellte Schönheit zu genießen. Man widersprach uns nicht mehr, und wir machten uns zu Fuße auf.
    Als wir aus dem Tore hinaus traten und die Stadt hinter uns ließen, empfing uns der heitere, große Grasplatz mit seinen vielen Bäumen, und eine wirklich herrliche Mondnacht stand über dem Raume. Ein ungeheurer Himmel, wie aus einem Edelsteine gegossen, war über der großen Rundsicht der Vorstädte, nicht ein einziges Wölkchen war an ihm, und von seinem Gipfel schien das Rund des Mondes lichtausgießend nieder. Wir wandelten an der Reihe der Bäume, die den Fahrweg säumten, dahin, mancher einzelne Wanderer und manches Paar begegnete uns. Weil die Nacht so duftend und beinahe südlich war, machten wir den Weg über den freien Raum noch einmal hin und zurück, so daß wir endlich beinahe die Letzten auf dem Platze waren. Wir wendeten uns nun auch, um nach Hause zu gehen. Als wir an der Häuserreihe unserer Vorstadt hin gingen, und uns kein Mensch mehr begegnete, merkten wir, daß wir doch nicht die einzigen wären, welche von dieser schönen Mondnacht angezogen würden, sondern daß auch noch ein anderer von ihren Strahlen in seinem Herzen erregt wäre; denn wir hörten in der allgemeinen Stille, die nur durch unsere Tritte und durch manchen fernen Ruf einer Nachtigall unterbrochen wurde, ein seltsames Flötenspiel. Wir hörten es anfangs ganz leise, dann, da wir weiter kamen, lauter. Wir blieben ein wenig stehen, um zu horchen. Wenn es ein gewöhnliches Flötenspiel gewesen wäre, würden wir wahrscheinlich bald weiter gegangen sein; denn es ist nichts Seltenes, daß man auch noch spät in der Nacht aus irgend einem Hause unserer Stadt Musik hört; aber das Flötenspiel war so sonderbar, daß wir länger stehen blieben. Es war nicht ein ausgezeichnetes Spiel, es war nicht ganz stümperhaft, aber was die Aufmerksamkeit so erregte, war, daß es von allem abwich, was man gewöhnlich Musik nennt, und wie man sie lernt. Es hatte keine uns bekannte Weise zum Gegenstande, wahrscheinlich sprach der Spieler seine eigenen Gedanken aus, und wenn es auch nicht seine eigenen Gedanken waren, so gab er doch jedenfalls so viel hinzu, daß man es als solche betrachten konnte. Was am meisten reizte, war, daß, wenn er einen Gang angenommen und das Ohr verleitet hatte, mit zu gehen, immer etwas anderes kam, als was man erwartete, und das Recht hatte, zu erwarten, so daß man stets von vorne anfangen und mitgehen mußte, und endlich in eine Verwirrung geriet, die man beinahe irrsinnig hätte nennen können. Und dennoch war trotz des Unzusammenhanges eine Trauer und eine Klage undnoch etwas Fremdartiges in dem Spiele, als erzählte der Spieler in ungefügen Mitteln seinen Kummer. Man war beinahe gerührt.
    »Das ist sonderbar«, sagte mein Gatte, »der muß das Flötenspiel auf einem eigentümlichen Wege gelernt haben, er stimmt richtig an, er fährt nicht fort, er verhastet die Sache, er kann mit dem Hauche nicht haushalten, er überstürzt ihn, und reißt ihn ab, und hat doch eine Gattung Herz darin.«
    Wir konnten auch nicht ergründen, woher das Spiel kam, fast hätten wir geglaubt, daß es aus dem alten Perronschen Hause klinge, in dessen Nähe wir uns befanden; aber das Haus war im Begriffe, abgetragen zu werden, es war schon nur mehr sehr wenig bewohnt, und die Töne klangen durchaus nicht, als kämen sie von irgend einem Fenster herab.
    Als wir noch eln Weilchen gestanden waren, gingen wir weiter, das seltsame Flötenspiel wurde hinter uns undeutlich, endlich hörten wir es gar nicht mehr, wir kamen nach Hause, und begaben uns neben unsern Kindern, die schon mehr als die Hälfte ihres erquickenden Schlafes ausgeschlafen hatten, zur Ruhe.
    Nach dieser Begebenheit verging wieder eine geraume Zeit. Wer schon länger in unserer Stadt lebt, wird sich noch des alten Perronschen Hauses erinnern. Wer überhaupt etwa fünfzehn bis zwanzig Jahre her Wien kennt, der wird wissen, daß diese Stadt in beständigem Umwandeln begriffen, und daß sie trotz ihres Alters eine neue Stadt ist; denn die Hauser werden immer nach neuer Art und zu dem Zwecke der Benützung umgebaut, alte,

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