Werke
Ausarbeitungen. Der Ausdruck war klar und bündig, der Satzbau richtig und gut, und die Worte, obwohl sinnlos, waren erhaben.
Ich nahm von diesem Umstande Veranlassung, aus Dichtern oder andern Schriftstellern Sätze mit bestimmter gehobner Betonung vorzutragen. Das Mädchen merkte hoch auf. Bald sagte es selber solche Dinge her, und später trug es mit einer Art Schaustellung Teile aus den besten und herrlichsten Schriften unseres Volkes vor. Wenn man aber näher in das Werk einging, von dem es eine Stelle gesagt hatte, und nach dessen Inhalt, Bedeutung und Gestalt forschte, verstand es nicht, was man wollte. Auch war in der Verlassenschaft kein einziges der betreffenden Bücher vorhanden. Das Aufsagen solcher Stellen war ein Reiz für das Mädchen, dem es sich schwärmerisch hingab. Wir kamen dahinter, daß die leisen Worte, die es zur Dohle sagte, ähnliche Dinge enthielten, so wie die Weisen, die es der Flöte des Vaters abzulocken suchte, in demselben Geiste erschienen.
Mein Gatte forschte auch der Mutter des Mädchens ach. Seine Absicht war, dem Mädchen seine natürliche und erste Verwandte und Stütze zu verschaffen, dann ber auch, von der erkundeten Mutter Angaben zu erfahren, aus denen sich über die Lage des Vermögens etwas entnehmen ließe. Mein Gatte forschte anfangs vorsichtig auf dem Wege der Ämter, dann mit der größten Schonung teils durch einzelne Personen, teils durch öffentliche Blätter; aber wie genau auch diese Forschungen angestellt wurden, wie viele Briefe geschrieben, wie viele Aufträge erteilt, wie viele Antworten eingegangen waren: von der Frau ist keine Auskunft angelangt, niemand hatte bis auf den Tag etwas von ihr gehört, sie ist auch nie wieder zurück gekommen.
Von den früheren Schicksalen des Mädchens ist uns durch seine Aussagen nie etwas bekannt geworden.
Wir hatten unsern Hausarzt, den Freund meines Gatten, zu uns bitten lassen, daß er den körperlichen Zustand des Mädchens untersuche, da das auffallend große Haupt auf etwas Ungewöhnliches schließen lasse. Er meinte, daß in dumpfen Aufenthaltsorten und etwa durch Wahnsinn des Vaters dieses Wuchern hervorgerufen worden sei, daß sich Auftreibungen und Drüsenleiden eingestellt haben. Der Gebrauch von Jodbädern würde in beiden Richtungen vielleicht gute Dienste tun. Da ich nun im Frühlinge ohnehin in die Gegend, wo sich das Bad befindet, eine Reise zu dem Bruder meines Gatten vorhatte, um mehrere Wochen bei ihm zuzubringen, so beschloß ich, das Mädchen mit zu nehmen. Ich hoffte von der guten Luft und der Reise nicht minder gute Wirkungen als von dem Bade. Das Haupt wurde in der Tat nach einem zweimonatlichen Aufenthalte auf dem Lande und nach dem vorgeschriebenen Gebrauche des Bades etwas kleiner und gebildeter, und die Züge des Angesichtes wurden geschmeidiger, klarer und sprechender.
Wir unterrichteten das Mädchen auch in den gewöhnlichen Dingen, und suchten es zu den unentbehrlichsten Verrichtungen des Lebens anzuleiten. Wir suchten, ihm Geschmack an Verfertigung von allerlei weiblichen Handarbeiten beizubringen, und endlich durch Gespräche und durch Lesen einfacher Bücher, hauptsächlich aber durch Umgang jene wilde und zerrissene, ja fast unheimliche Unterweisung in einfache, übereinstimmende und verstandene Gedanken umzuwandeln und ein Verstehen der Dinge der Welt anzubahnen. Wie schwer das war, geht schon aus der Tatsache hervor, daß Monate vergehen mußten, ehe es ertragen konnte, daß Alfred mit der Dohle sprach oder gar mit ihr spielte, gelegentlich auch die Flöte des Vaters anrührte.
Als wir es endlich wagen konnten, mieteten wir dem Mädchen in unserer Nähe ein Zimmer, in dem es wohnte. Die Frau, welche das Zimmer vermietete, nahm sich um das Mädchen an, ein Priester unterwies es in der Religion, wir kamen sehr oft zu ihm hinüber, und so gestaltete es sich milder, seine körperliche Beschaffenheit wurde nachträglich auch besser, so daß es sich in den Lauf der Dinge schicken konnte, daß ihm mein Gatte, nachdem es die Volljährigkeit erreicht hatte, die Urkunden über seine gerichtlich anliegende Summe und über das, was bei der Beerdigung des Vaters übrig geblieben war, einhändigen konnte, und daß es endlich sogar Teppiche, Decken und dergleichen Dinge anfertigte, von denen es im Vereine mit den Zinsen aus seinem kleinen Vermögen lebte, was um so eher möglich wurde, als ihm die Leute, gerührt durch seine Schicksale, die fertigen Stücke immer gerne abkauften. –
So
Weitere Kostenlose Bücher