Werke
unterirdische Stube gekommen waren, fragte es nach dem Vater. Ich war in Verlegenheit; denn ich hatte gedacht, daß es wisse, daß der Vater tot sei; denn es hatte selbst das Wort gebraucht; und daß es daher besser wissen werde, wohin er gebracht worden sei, wenn es denselben nicht mehr in der Wohnung finden würde. Ich sagte daher, daß es ja wisse, daß der Vater gestorben sei, daß es ja selber gesagt habe, daß er nicht mehr gesund geworden, sondern tot sei, und daß er daher nach dem Gebrauche unserer Religion begraben worden sei.
Es stutzte eine Weile, dann sagte es: »Er wird gar nicht mehr kommen?«
Ich hatte nicht den Mut, ja zu sagen, und ich hatte nicht den Mut, das Mädchen durch Täuschung zu trösten, sondern blieb mitten in meiner Halbheit von Zugeben.
Es sagte nach einer Weile wieder fragend: »Er wird gar nicht mehr kommen?«
Nun hatte ich den Mut nicht mehr, unwahr zu sein, sondern ich sagte dem Mädchen, daß der Vater tot sei, daß er sich nie mehr regen könne, daß er von uns unter die Erde getan worden sei, wie man es mit allen Toten tue, und daß er dort in Ruhe liegen bleiben werde.
Da fing es heftig zu weinen an, ich suchte es zu trösten, aber meine Worte verfingen nichts, es weinte fort, bis es sich selber nach und nach ein wenig sänftigte. Ich fragte es, da es stiller geworden war, ob es wieder mit mir in meine Wohnung gehen wolle, ich würde es, sobald es wollte, abermals hieher zurück führen. Da die Wohnung leer war, machte das Mädchen wenig Widerstand, und ich führte es in das Stübchen, in dem es geschlafen hatte. Nach einer Weile gingen wir wieder in die unterirdische Wohnung. Und so wiederholte ich das Verfahren im Laufe des Tages mehrere Male, teils um das Mädchen zu beschäftigen, teils um es an eine Veränderung seiner Lage zu gewöhnen, und ihm den Schein von Freiheit zu lassen, damit es nicht durch Empfindung eines Zwanges widersetzlich und unbehandelbar würde.
Ich gab ihm auch Speisen, von denen ich vermutete, daß sie ihm zusagen könnten.
Gegen Abend, da wir in der unterirdischen Stube waren, schlug ich vor, daß es wieder in dem Stübchen schlafen solle, in welchem es in der vorigen Nacht geschlafen habe, es sei dort warm, es sei ein gutes Bett, es sei die freundliche Magd dort, und es sei ein Abendmahl bereitet.
Es sagte, daß es mitgehe, wenn es die Dohle mitnehmen dürfe.
Ich erlaubte es gerne.
Es näherte sich der Dohle, gab ihr seltsamliche, unverständliche Namen, und suchte sie zu haschen. Die Dohle duckte sich auf dem Schirme, und ließ sich mit beiden Händen des Mädchens nehmen. So trug es dieselbe fort, so kamen wir in mein Hinterstübchen. Ich setzte das Mädchen in einen geräumigen Armstuhl nahe an den Ofen, ich rief die Magd herbei, daß sie Gesellschaft leiste, sorgte für ein Abendmahl, und begab mich nach den Anstrengungen des Tages in mein Zimmer.
Die Sachen waren in der Wohnung des Pförtners versiegelt und das Bewegliche in Beschlag genommen worden. Nur den Schlüssel zur Stubentür ließ man mir, damit ich öfter mit der hinterlassenen Tochter die Stube besuchen könnte. Meinen Gatten hatte man gefragt, ob er die Vormundschaft über das Mädchen übernehmen wolle, und er hatte eingewilligt.
Ich wußte nicht, was ich mit dem Mädchen tun sollte. Wir beschlossen daher, dasselbe so lange bei uns zu behalten, bis meinem Manne alle Papiere und etwaigen anderen Dinge des Verstorbenen eingehändigt würden, woraus man dann die Verhältnisse des Verstorbenen würde entnehmen und wissen können, was mit dem Mädchen weiter zu geschehen hätte.
Sehr schwer war es, das Mädchen von dem unterirdischen Gewölbe zu entwöhnen. Es hing mit einer Hartnäckigkeit an dem Gemache, die unbegreiflich war. Nur durch den öfteren Besuch der unterirdischen Wohnung, den ich mit ihm anstellte, durch zutrauliches Reden über gleichgültige Dinge, und endlich durch sorgfältige Pflege, die ihm wohltat, gewöhnte ich es nach und nach an sein neues Stübchen. Ich gab ihm gute Wäsche, und ließ ihm Kleider von unseren Mägden verfertigen, die ihm gut standen, in denen es sich wohl befand, und durch die es nicht mehr so auffiel. Fast noch mehr als alles andere scheute es die freie Luft, und wenn ich es ein wenig in den winterlichen Garten hinunter brachte, benahm es sich linkisch, und starrte die entlaubten Zweige an. In den ersten Tagen kam niemand zu ihm als ich und die ältliche Magd, nach und nach gewöhnte es sich aber auch an den Anblick von andern aus
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