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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wunderschönes Angesicht und einen sehr wohlgebildeten Kopf hatte, war der übrige Körper zu klein geblieben, als gehörte er jemand anderem an. Er hieß im Hause seines Vaters der Kleine, obwohl es einen größeren nicht gab, da er der einzige war. Er fuhr aber auch fort, der Kleine zu heißen, da er schon dreißig Jahre alt war, und man nicht mehr daran denken konnte, daß er noch wachse. Er hieß auch auf der lateinischen Schule und auf der Universität der Kleine. Mit diesem Widerspruche der Körperteile war noch einer der Geistesvermögen verbunden. Er hatte ein so reines Herz, im Alter fast noch knabenhaft rein, daß er die Liebe und Verehrung der Edelsten erworben hätte, er hatte einen klaren, sicheren Verstand, der mit Schärfe das Richtige traf und den Tüchtigsten Achtung eingeflößt hätte; aber er hatte auch eine so bewegliche, lebhafte und über seine anderen Geisteskräfte hinaus ragende Einbildungskraft, daß sie immer die Äußerungen seiner andern Geistestätigkeiten zu Schanden und sich in struppigen, wirren und zackigen Dingen Luft machte. Wäre sie bildend gewesen, so wäre er ein Künstler geworden; aber sie blieb nur abschweifend, zerbrochen und herumspringend, so daß er Dinge sagte, die niemand verstand, daß er witzig war, daß er lächerlich wurde, und vor lauter Plänen zu keinem rechten Tun kam. Daraus folgte, daß in seinem Leben nur Anfänge ohne Fortsetzung und Fortsetzungen ohne Anfänge waren.
    Er wurde einmal, da sein Vater und seine Mutter schon tot waren, der Gegenstand großer Zuneigung eines Mädchens. Er liebte das Mädchen so sehr, daß kein Wesen auf der Erde war, dem er eine gleiche oder nur annähernde Neigung hätte schenken können. Es schienen also alle Bedingungen zu einer glücklichen Vereinigung vorhanden zu sein. Aber einmal machte er sich in Gesellschaft vieler Menschen durch seine Reden und Wortsprünge so lächerlich, daß das Mädchen mit Glut und Scham übergossen da saß. Er schrieb des andern Tages an seine Braut, laß er ihrer unwürdig wäre, und daß er sie nicht unglücklich machen könne. Alle Zuredungen seiner Freunde waren umsonst, das Mädchen bereute bitter seine Empfindung und beweinte den Tag; aber es war vergebens, und die Verbindung blieb getrennt.
    So kam er nicht dazu, seine Gaben, besonders sein Herz zu verwerten, und lebte vereinzelt dem Alter entgegen.
    Da er einmal entschlossen war, sich nicht mehr zu verehlichen, machte er es sich zur Aufgabe, sich seinen künftigen Erben zu suchen. Das Gut, das außer dem Schlosse in liegenden Gründen, besonders Wäldern, bestand, und die landesüblichen Bezüge hatte, war einst ein landesfürstliches Leben gewesen, war aber in Folge großer Verdienste eines Ahnherrn mit Abfindung entfernter Anwärter in wirkliches Eigentum übergegangen. Der Schloßherr, wie sie ihn in der ganzen Gegend nannten, konnte also mittelst Testament über das Gut verfügen. Er wollte aber der gesetzlichen Erbfolge zugetan bleiben, wollte dem, der ihm, wenn er ohne Testament stürbe, gesetzlich folgen würde, auch testamentlich seine Nachlassenschaft zuwenden, nur wollte er den Erben vorher kennen lernen, ob er der Erbschaft auch würdig wäre.
    Er schlug also das Ahnenbuch auf. Abkömmlinge von ihm waren natürlich nicht da. Also zu Geschwistern. Die waren ebenfalls nicht da. Also zu den Vorfahren. Vater und Mutter waren tot, beide hatten keine Geschwister. Also zu den Großeltern. Der einzige Großvater väterlicherseits hatte einen einzigen Bruder, dessen nachkommende Linie aber erloschen war. Also zu den Urgroßeltern. Alle von ihnen abwärts gehenden Linien, die er in dem Buche verzeichnet fand und in den Ländern erforschte, reichten nicht in die Gegenwart. Ihr Erlöschen war ämtlich belegt. Er ging eine Stufe höher, die Sache wurde immer schwieriger. Aber alle Linien, die von allen Stufen, sie mögen wie hoch immer sein, hinab liefen, rissen ab, ihr Abriß war beurkundet, und er kam endlich dort an, wo nichts mehr zu wissen ist, und wo keine Abstammung mehr erhellt oder erweislich ist. Nachdem er so viele Reisen gemacht, nachdem er einen Teil seines Lebens damit zugebracht, nachdem er sogar in den Zeitungen einen Aufruf hatte ergehen lassen, wer mit ihm verwandt sei, möge sich melden, und nachdem manche gekommen waren, aber keinen Beweis hatten beibringen können, gelangte er zu der traurigen Entdeckung, daß er ganz und gar keinen Erben besitze.
    Er wollte daher wenigstens für den Fall sorgen, wenn er schnell und

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