Werke
gehabt, daß er sich nicht mehr aus der Sklaverei zu befreien vermochte.
Es waren jene traurigen Tage eingetreten, in denen ein auswärtiger Feind den Boden unsers Vaterlandes betrat, lange und wiederholt da verweilte und durch Schlachten ihn verwüstete, bis er durch jene ruhmwürdigen Anstrengungen großer Männer, an denen unser Vaterland einen glänzenden Anteil nahm, aus allen Fluren, wo man die deutsche Sprache spricht, wieder verjagt wurde.
Schon bei dem Beginne der französischen Kriege kamen die drei Männer in die größte Aufregung. Sie waren insgesamt sehr eifrige Vaterlandsfreunde, ließen an den Franzosen nichts Gutes gelten, wünschten sie nur bald geschlagen, aufgerieben, vernichtet und zu Grunde gerichtet. Am weitesten ging hierin der Schloßherr, der in dem Angriffe gegen unser Land geradezu die unverzeihlichste Schandtat erblickte, was sich schon aus seiner Anhänglichkeit an den väterlichen Boden und aus der Tatsache erklären ließ, daß er, ehe ihn sein Herz anders verleitete, für seine Erbschaft keinen würdigeren Erben zu finden gewußt hatte als den Kaiser. Er meinte, die Franzosen seien bloß Räuber und Mörder, man müsse sie ausrotten wie Ungeziefer, und jeden und alle, wo sie sich blicken ließen, erschlagen, wie man einen Wolf erschlage, wenn er durch die Felder in den Hof herein gerannt komme. Nicht einmal in dem Himmel gab er ihnen einen Platz, sondern jeder mußte in die Hölle. Ob er mit dem Erschlagen, wenn es dazu gekommen wäre, rechten Ernst gemacht hätte, weiß man nicht, da bisher keine Gelegenheit war, sein Wesen bis zu tätigem Ingrimme empor zu steigern.
Als die Franzosen Fortschritte machten, wurde es noch ärger, die Männer redeten von nichts als Zeitungen, Nachrichten und dergleichen, und führten grausame Worte in dem Munde. Die Kinder wußten von nichts, sie hatten damals nur die Obliegenheit zu wachsen, und waren die einzigen, die von den Ereignissen unberührt blieben.
Die Mutter war in einer schmerzlichen Lage. Sie konnte jene hohe Freude nicht teilen, die die Männer über jeden Vorteil hatten, den die Unsrigen errangen, sie fühlte nur die Wunden, die geschlagen wurden, ob sie auch dem Feinde galten, und wenn sie auch wünschte, daß Friede würde, und unsere Floren von dem Feinde befreit wären, so wünschte sie das nicht durch Erschlagen aller Feinde, sondern nur durch ihr Vertreiben, und sie konnte es sich nicht verhehlen, daß es ihr sehr widrig sei, daß vernünftige Wesen ihren Streit nicht in Vernunft und nach Gerechtigkeit austragen können, sondern daß sie sich gegenseitig dabei taten, und sie schalt die Wildheit der drei Männer, welche auch nicht mehr die Tatsachen rechts und links sähen, sondern nur den Feind im Auge hätten, auf den sie blind los rennen wollten.
So waren die Sachen endlich zu jenem Stande gediehen, da unsere Truppen, auf unserem Boden geschlagen, sich nach Norden zogen, um dort noch tiefere und schmerzlichere Wunden zu empfangen, bis das Maß voll war, bis das Gericht eintrat, und der Übermut und die Willkür wieder in ihre Grenzen zurück geworfen, ja dort hart gestraft werden sollte.
Als unsere Truppen sich damals vor dem Sieger zurückzogen, geschah es zum ersten Male, daß auch eine Abteilung unserer Kriegsmacht, und zwar eine Hauptabteilung, in die Gegend kam, in welcher das Schloß lag. Den ganzen Tag waren Truppen gezogen, Richter, Geschworne, Gemeindemänner hatten zu tun, Vorspann und Wegezeigung mußte geleistet werden, und jedes Haus gab, was es vermochte. Die Bewohner der Umgegend hatten herbeigebracht, was sie konnten, und hatten es auf dem Platze des Dorfes aufgehäuft.
Gegen Abend kam eine Abteilung Russen. Sie schienen nicht mehr weiter gehen, sondern hier Nachtruhe halten zu wollen. Sie schienen aber ihrer Sache nicht sehr gewiß zu sein, und schickten sich an, große Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Sie zerstreuten sich nicht, wurden nicht in die Häuser verlegt, und brachen ihre kriegerisch eingeteilten Glieder nicht ab. Von der Umgegend mußte Stroh herbeigebracht werden, das an jener Stelle zum Bette diente, an welcher der Schlummernde aufspringen und sogleich auf seinem Platze stehen konnte. Die Wachenden waren zur Übersicht und Warnung versendet und ausgestellt. Manche Abteilungen lagen weiter zurück in den Feldern, und alle waren nach gewissen Anordnungen verteilt. Die Bewohner mußten Lebensmittel, Brennbedarf und andere Dinge herbeischaffen und an bestimmte Stellen abliefern. Sie durften aber
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