Werke
ruhigen braunen Augen ihres Vaters und den lieblichen Mund der Mutter. Und wie sie waren alle Kinder das eine oder andere Gemisch ihrer Eltern.
Sie begannen heran zu wachsen, der Schloßherr führte sie aller Orten herum, hatte seinen Stolz über sie, nahm stets immer ihre Partei gegen die Eltern und hätte sie, wären nicht andere treffliche Eigenschaften und Umstände ins Mittel getreten, vollständig verzogen.
Einer dieser Umstände war die Mutter selbst. Sie war eine gelassene, vernünftige Hausfrau mit einem wohlwollenden Herzen. Sie waltete in Reinlichkeit, Ordnung und Sittsamkeit im Hause, und diese Eigenschaften verstand sie in einem gewissen Grade auch ihrem Gesinde einzupflanzen und daher auch den Kindern. Sie zankte nie, war aber unermüdlich, dieselbe Sache so oft zu befehlen und tun zu lassen, bis sie dem damit Beauftragten zur Geläufigkeit und Gewohnheit war. Durch die Gleichheit und Heiterkeit ihres Wesens kam Gleichheit und Heiterkeit in die Kinder, durch Abwesenheit jedes Harten, Rohen und Unziemlichen wurden sie fein und anständig, und besonders war es die Scham, etwas Unrechtes zu tun, was ihnen ein Beistand war, und das Erröten war eine harte Strafe, weil die Mutter selbst mit großem Ernste allem aus dem Wege ging, was sich nicht schickte.
Ein zweiter Umstand war der Vater. Die größte Rechtlichkeit und Biederkeit in seinem Wesen verfehlte nicht, auf die Kinder, selbst da sie noch sehr klein waren, einen großen Eindruck zu machen. Er war ihnen das Bild der Vollkommenheit und des Wissens, und als ihnen von dem Vater im Himmel erzählt wurde, dachten sie sich denselben so wie ihren Vater auf Erden, nur älter. Sie hatten vor dem freundlichen Vater, der nie einen Verweis, sondern höchstens einen Rat gab, mehr Furcht und Scheu als vor der oft rügenden und ermahnenden Mutter.
Der dritte Umstand war der Lehrer der Kinder. So wie der Schloßherr sich mit Umsicht einen Verwalter ausgesucht hatte, so suchte sich der Verwalter mit Umsicht einen Lehrer aus. Er brachte einen Mann in das Haus, der in den Jahren schon etwas vorgerückt, ruhig und ernst war, und von dem der Verwalter wußte, daß er die Kinder bald sehr lieben würde. Er hatte einen kleinen Gehalt von einer frühern Erziehung her, von dem er, da er unverehlicht war, hätte leben können; aber das Erziehen war ihm so zur Natur geworden, daß es ihm eine große Freude gewährte, daß ihm der Verwalter den Antrag machte, und daß er die Last wie ein Geschenk hinnahm.
Der Mann stimmte zu den beiden anderen Männern in Gutem und Törichtem so, daß die Leute halb im Ernste, halb im Scherze sagten: »Nun, der hat ihnen noch gefehlt.«
Er sagte nach kurzer Zeit gleichfalls wie die zwei andern Männer: »Mein Hauswesen, meine Kinder.«
Die Kinder liebten ihn sehr, aber sie neckten ihn nie, was sie mit dem Schloßherrn öfter taten. In verschiedenen Abstufungen hatten alle drei Männer etwas Sonderbares, was die Kinder aber nur bei dem ausgezeichnetsten, bei dem Schloßherrn, merkten. Die Mutter allein war die immer klare und einfache.
Als Lulu heran wuchs, als sie sehr schön und lieb zu werden versprach, als sie die großen Augen demütig niederschlug, die Wimpern darüber hinab zielten und nicht mehr so oft wie früher sich vorlaut erhoben, als endlich auch noch das Letzte eintrat, nämlich ein oftmaliges heißes Erröten ohne Grund und Ursache: da schlich sich der Schloßherr einmal leise auf sein Zimmer, riegelte hinter sich die Tür zu, ging heimlich zu der Lade seines Schreibtisches, tat sie auf, nahm das Testament heraus, in welchem er den Kaiser zum Erben eingesetzt hatte, und durchstrich es ganz und gar. Dann schrieb er emsig ein neues, und setzte Lulus Namen hinein. Er warf den andern drei Kindern Vermächtnisse aus, die Lulu auszuzahlen hatte, wodurch sie Lulu zwar näher kamen, aber sie doch nicht erreichten. Als er das getan hatte, ging er mit einem glänzenden Angesichte in den Garten, als hätte er einen Schabernack verübt und freue sich auf dessen Bekanntwerden. Um gar kein Aufhebens zu machen und keine Vermutungen und kein Gerede zu veranlassen, ließ er keine Zeugen unterfertigen, sondern tat unserm Gesetze, das er gut kannte, damit Genüge, daß er am Eingange schrieb: ›Mit meiner eigenhändigen Schrift und Unterschrift.‹
Dennoch hätte Lulu einmal seine Gunst und wahrscheinlich auch die Erbschaft, von der sie nichts wußte, vom Grunde aus verscherzt, hätte sie ihn nicht ohne ihr Wissen bereits so unterjocht
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