Werke
mir gerichtet gewesen.
Die Musik begann aber nicht, dafür hörte ich die Worte der lauten Stimme des Grafen: »Weil Sie schon, hochverehrter Herr, sagten, daß der Anblick vor uns gemalt werden könnte, wie in Holland solche Dinge lebendig sind, und wie Holländer sie von jeher sehr zierlich zu malen verstanden haben, so hätte man ja den Maler aus der Lüpfschenke holen lassen sollen, damit er die Sache flüchtig mit Farben entwerfe, und dann später das Bild ausführe.«
»Der geht nicht zu euch Leichtsinnköpfen heraus«, sagte Roderer.
»Versteht sich,« erwiderte der Graf, »der Kauz hat sich in ein Uhunest gesetzt.«
»Er wendet seine Kraft an sein Unternehmen«, sagte Roderer.
»Da hat er ein Blockhaus gebaut, um das Moor zu belagern«, entgegnete der Graf.
»Wer weiß, ob er die Kräfte besäße, so ein buntbewegtes Leben zu malen, wie wir es hier sehen«, sagte der Mann mit den schwarzen Haaren.
»Ob er es kann oder nicht, weiß ich nicht,« erwiderte der Graf, »aber der größte Narr ist es, den ich je gesehen habe: der Kiebitz auf der Lüpf, der Blockhausfrosch am Rohrdommelmoor! Das spricht auch wenig für seine Kunst. Jedoch ein Stümper und ein Narr ist jeder auf seine eigene Gefahr, und wir können nichts dawider haben. Wenn es aber wahr ist, was ich hörte, daß er seine Augen auf die schöne Susanna richtet, dann muß der Tropf gezüchtigt werden.«
Ich weiß nicht, hatte Susanna mich schon früher einmal gesehen oder nicht: bei diesen Worten aber warf sie einen Blick auf mich; es war nur ein einziger, kurzer Blick, sie mußte gleich wieder wegsehen, um nichts zu verraten; aber es war ein namenlos wunderbarer Blick. Ich sah in wahnsinnigem Zorne und in wahnsinniger Liebe gegen ihre Augen. Ihre liebe Hand tastete jenseits der Mauer hinab, und als sie mein Haupt erreichte, von dem ich die Bedeckung bei dem Beginn des Zeichnens in das Gras gelegt hatte, hielt sie die Hand auf meinen Scheitel und drückte mich sanft nieder.
Ich atmete nicht in diesem Augenblicke.
Dann stand sie auf und sagte: »Wir müssen doch das Bild auch von einer andern Seite betrachten.«
Und sie tat einen Schritt vorwärts, und zögerte dann, um zu sehen, ob man ihr nachfolge. Da sie Anstalten gesehen haben mußte, daß man sich erheben wolle, ging sie wieder einige Schritte weiter, das Angesicht immer gegen die Menschenmenge gerichtet. Roderer erhob sich, nahm seine Gattin an dem Arme und ging mit ihr längs der Steinmauer weiter. Die Mädchen waren aufgestanden, die Männer waren aufgesprungen, und alle jungen Leute folgten Susanna.
Ich drückte mich jetzt in mein Haselgebüsch zurück, steckte mein Zeichnungsbuch in die Tasche, nahm meine Haube, erhob mich hinter dem Gebüsche von dem Boden, ging das Gehölze zurück, und aus demselben auf dem Wege, den ich gekommen, in mein Blockhaus zurück.
Ich schlief in der kommenden Nacht keinen Augenblick und malte des andern Morgens nicht.
Als ich den Wagen mit den Braunen an dem rechten Ufer des Moores mittagwärts fahren sah, flog ich mit klopfendem Herzen auf meinen Pfad. Auf dem Waldwege sah ich Susanna daherwandeln. Mit stürmender Brust ging ich gegen sie. Als sie nahe war, und als ich sie sah, und als ich sah, daß sie heute blasser sei, rief ich: »Susanna, Susanna!«
Sie sah mich liebend an und reichte mir beide Hände hin.
Ich ergriff die Hände, riß das Mädchen gegen mich, und schloß es an meine Brust. Unsere Arme umschlangen sich, und ihr heißer Mund glühte auf dem meinen.
Der Mund, der immer stolz gewesen war, hatte mich geküßt.
Und als sich die Arme gelöst hatten, und als ich sie wieder ansah, sah ich, daß sie das schönste Geschöpf ist, welches die Erde getragen, und welches Gott je erschaffen hat.
Ich legte wieder meinen Arm um ihre Schulter, nahm sie bei der Hand und sagte »Susanna! auf ewig – .«
»Auf ewig«, antwortete sie.
»Du geliebtes, du teueres Wesen«, sagte ich.
»Du lieber, du einziger Mann,« antwortete sie, »der sein All auf einen Gedanken setzt, gegen sie, die kein All haben, und keinen Gedanken, es an ihn zu setzen –!«
»Du bist meinetwegen den Waldweg gegangen, Susanna?« fragte ich.
»Ich bin deinetwegen gegangen«, erwiderte sie. »Und du?« »Ich bin nur gekommen, dich zu sehen«, sagte ich.
»Ich wußte es,« entgegnete sie, »aber sage, wie heiß ich dich denn?«
»Heiße mich Friederich«, sagte ich.
»Höre, Friederich,« sagte sie, »du mußt deine Gewalt, die ich an dir sehe, auf irgend etwas
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