Werke
eingetreten war, stand er auf, ging mir entgegen, reichte mir die Hand, führte mich zu einem Sitze an dem großen Tische, der in der Stube stand, setzte sich an meine Linke, und fragte, ob er mir in etwas dienlich sein könne.
Ich war ein wenig bewegt, und sagte die Worte: »Hochverehrter Herr Roderer! Ich bin nicht gekommen, einen Dienst von Ihnen zu verlangen; sondern es ist etwas geschehen, was jemanden Ihrer Angehörigen betrifft, und ich halte es für meine Pflicht, Ihnen die Sache zu enthüllen. Ihre Tochter Susanna und ich haben eine Neigung zu einander gefaßt und sie lange schweigend gehegt. So lange nicht eines zu dem andern ein Wort gesprochen hatte, hielt ich mich nicht für verbunden, mit Ihnen davon zu reden, weil Gedanken nach außen nichts bewegen; aber gestern haben wir gesprochen, und haben gesagt, daß es unser beider Wunsch wäre, uns auf ewig anzugehören, und jetzt bin ich gekommen, es Ihnen zu sagen, damit Sie handeln, wie Sie es für Ihre Pflicht halten. Ich heiße Friedrich Roderer, gerade Roderer wie Sie, und bin jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Mein Vater lebt in Wien, und hat Liegenschaften in Niederösterreich und Ungarn. Meine Mutter lebt auch noch. Ich habe eine Schwester, eine Großmutter und zwei Oheime, Brüder des Vaters. Ob wir mit Ihnen und Ihren Roderern verwandt sind, weiß ich nicht, ich habe mich nie gekümmert, ob noch entfernte Verwandte von uns in der Welt sind. Ich selber besitze ein Vermögen, daß eine Gattin und zahlreiche Nachkommenschaft versorgt werden kann, wie wohlhabende Leute die Ihrigen zu versorgen pflegen. Ich verschwende nichts, Sie selber haben mein einfaches Leben gesehen, und so ist es immer, und so ist meine Habe gewachsen. Ich habe bis jetzt eine ehrlose Handlung nicht begangen, und bin meines Willens gewiß, sie auch in Zukunft nicht zu begehen. Meine Fehler suche ich zu verbessern, wenn sie mir bekannt werden. Was davon noch da ist, mögen meine Freunde aus Liebe ertragen und bessern. Irgend ein Mädchen habe ich bisher noch nicht beachtet, weil ich nur ein einziges, alles andere verdunkelndes Bestreben hatte, die Kunst. Ich habe geglaubt,daß ich nie eine eheliche Verbindung eingehen werde. Susanna liebe ich, wie ich nie irgend ein Wesen auf der Welt geliebt habe. Wie und warum weiß ich nicht. Ich habe sie sehr oft stumm angeblickt, sie mich auch, und wir liebten uns, und haben es plötzlich gesagt. Über meine äußeren Verhältnisse kann ich Ihnen die Beweise vorlegen, wenn sie angekommen sein werden, über mein Wesen nur meine Worte. Susanna werde ich ewig lieben, und ich glaube von ihr, sie mich auch. Was sonst sein wird, weiß ich nicht. Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt.«
Er schwieg ein Weilchen, dann sprach er: »Sie haben in dieser Sache ehrenhaft gehandelt, und ich glaube fest, daß Sie einer unehrenhaften Handlung nicht fähig sind. Ich habe gewußt, daß meine Tochter in dem Lüpfwalde spazieren geht, ich habe gewußt, daß Sie dieselben Wege gehen. Meine Tochter hat unser Vertrauen, und Ihnen schenkte ich es auch. Hätten Sie nicht gesprochen, so hätte Susanna gesprochen, und dann hätte es mir um Sie leid getan. Ich ahnte, was geschehen würde, und Mathilde und ich sprachen keine Mißbilligung aus. Um das Vermögen des Gatten Susannas fragen wir nicht, nur um seine Person. Ich kenne Sie nur einige Monate und achte Sie mehr, als Sie vielleicht wissen. Ob aber sonst Ihr Wesen zu dem Susannas passe oder Susanna zu Ihrem, kann jetzt niemand wissen. Schließen Sie sich an uns an, und wenn die Zeit, die nötig ist, daß sich die Zusammenstimmung kläre oder die Mißstimmung eröffne, um ist, dann geschehe, was eben diese Zeit gereift. Ist Ihnen diese Antwort entsprechend?«
»So herrlich, wie ich sie von Ihnen gedacht, den ich verehren gelernt habe,« sagte ich, »Sie müssen es gesehen haben.«
»Ich hab es,« antwortete er, »und ich bin auch nicht, mein lieber junger Freund, immer nur des Glases Bier wegen auf den Lüpfhügel gestiegen. Sie haben mir allein Ihre Bilder gezeigt, ich habe Ihnen Roderergeschichten erzählt, in denen Närrisches genug vorkömmt, Sie haben sich nicht an uns gedrängt, und ich habe Sie nicht nach Ihrem Namen gefragt. Aber sagen Sie, warum haben Sie mir denn nicht eröffnet, daß Sie Roderer heißen?«
»Recht genau weiß ich es nicht,« antwortete ich, »aber nach meinem Vermuten war es anfangs Schüchternheit, und dann, als ich die Roderergeschichten kennen gelernt hatte, mochte es die Scheu gewesen
Weitere Kostenlose Bücher