Werke
einen trockenen, sandhaltigen Geleisweg, der von dem Fußwege in senkrechter Richtung rechts führte und in die Straße mündete, die auf der andern Seite des Moores gegen Lüpfing und Firnberg lief. Es war dies dieselbe Straße, auf der Roderer heim fuhr, wenn er an dem Apfelbaum gewesen war, und an der ich die Gesellschaft gesehen hatte, welche mir hinter meinem Rücken in meine Malerei hatte schauen wollen.
Auf dem Waldwege zu gehen, war sehr angenehm. Er war breit und glatt, nach dem stärksten und längsten Regen gleich wieder trocken, an seinen beiden Seiten standen festgereiht die dunkeln Fichten, Schatten und Wohlgeruch verbreitend. Ich will von dem Vogelgesange nicht reden, der aber doch auch in Betrachtung kömmt, da im Moore höchstens der Kiebitz schreit, und auf dem Lüpfhügel etwa der Schlag des Rotschwänzchens gehört wird. Selten begegnet man auf diesem Wege einem Menschen, da er hauptsächlich nur im Winter zum Holzführen gebraucht wird, weswegen man gar oft ein grünes Kräutlein oder eine schöne Blume auf ihm empor wachsen sieht. Ich hatte diesen Weg schon häufig beschritten und kannte den Wald um ihn sehr gut. Diesen Weg wählte ich daher nun größtenteils zu meinem täglichen Spaziergange. Ich ging von meinem Hause aus an der linken Seite des Moores hinunter, wo man bald den Wald erreicht, dann den langen Waldweg gegen rechts, und endlich am rechten Ufer des Moores zu meinem Hause zurück. Dazu brauchte ich, je nach meinem Ausschreiten, zwei oder zwei und eine halbe Stunde. Diese Zeit konnte ich opfern.
Eines Tages, als ich um eilf Uhr auf dem geraden Waldwege fortschritt, kam eine weibliche Gestalt gegen mich. Es war Susanna. Ich schritt gegen sie dahin, sah sie an und erschrak; denn sie war wirklich eine Königstochter Die Wangen waren lieblich und fein, die großen, glänzenden braunen Augen sahen mich an, der Mund war ernst, und ihr Gang war frei und einfach. Ich lüftete meine Haube zum Gruße, sie neigte ein wenig ihr Angesicht, und wir waren aneinander vorüber.
Auf der Straße draußen fand ich ihren Wagen auf sie warten. Er war mit den Braunen bespannt, die sie entführt hatten, als sie damals hinter meiner Malerstelle gestanden war. Jener nankinggelbe Graf war also auch wahrscheinlich der Graf Sternberg gewesen.
Dem Herrn Roderer sagte ich abends nicht, daß ich heute seine Tochter gesehen habe. Er redete auch von keinem Begegnen.
Ich sah sie ein anderes Mal wieder auf diesem Wege, und dann wieder.
Ich ging jetzt gar keinen andern Weg mehr als diesen. Ich sah sie mehrere Male und endlich täglich.
Wenn nur das erste Licht sich an dem Himmel zeigte, stieg ich schon aus meinem Bette, und zürnte, daß jetzt die Tage kürzer würden und die Sonne später erschiene. Sobald es das Licht erlaubte, war ich schon an meiner Malerei, um Zeit zu gewinnen. An einem Fensterpfosten war mein Fernrohr angeschraubt, und sobald ich einen Wagen am rechten Ufer des Moores mittagwärts fahren sah, richtete ich das Rohr auf ihn, ob er die bekannten Braunen habe Und hatte er sie, so warf ich Pinsel und Malerbrett weg, und eilte auf meinem linken Moorufer in den Wald, und begegnete ihr auf dem Waldwege. Unser Begegnen war immer gleich. Wir gingen in mäßigen Schritten gegen einander. Und als wir uns trafen, richtete ich meine Augen gegen ihre großen, feurigen Augen, die mich anblickten, grüßte sie ehrerbietig, sie neigte sich freundlich, und wir waren vorüber. Ich ging jetzt nie mehr auf der Straße, auf welcher ihr Wagen wartete, in mein Haus zurück, sondern erreichte auf einem Seitenpfade meinen Weg an meinem Moorufer, und gelangte auf diesem in mein Haus zurück.
Eines Tages dauerte es sehr lange, bis der Wagen mit den Braunen auf der Straße an dem rechten Moorufer mittagwärts fuhr. Um zwei Stunden kam er später. Ich legte meine Geräte bei Seite und ging in den Wald. Wir begegneten uns. Ich glaubte bei dem Begegnen zu bemerken, daß sie errötete.
Am andern Tage kam der Wagen um eine und eine halbe Stunde zu früh. Ich raffte mich auf, ging in den Wald, und wir begegneten uns, und ich glaubte wieder das Rot auf ihren Wangen zu sehen.
Von nun an kam der Wagen ganz regelmäßig um eilf Uhr. Wir begegneten uns, grüßten uns, und ihre Augen wurden immer schöner und glänzender.
Kein Mal, nicht ein einziges Mal tat Roderer seiner Tochter Erwähnung. Ich tat es auch nicht.
So kam der Bartholomäustag. In Lüpfing war am Vormittage feierlicher Gottesdienst, und der Wagen mit den
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