Werke
recht gut«, sagte er.
»Ist kein Unfall vorgekommen?« fragte sie.
»Ein zerbrochenes Rad, das wieder gemacht worden ist,« entgegnete er, »eine kranke Kuh, die wieder gesund ist, und anderes, dessen ich mich nicht mehr entsinne.«
»Das ist ohne Bedeutung,« sagte sie, »bei mir ist gar nichts vorgekommen.«
»So stehen die Sachen vortrefflich«, antwortete er.
»Es geht so gut, wie alles nur immer gehen kann,« sagte sie, »und so sei noch einmal gegrüßt, Dietwin.«
»Sei gegrüßt, Gerlint«, erwiderte er.
Darauf stand er auf, küßte ihre Hand, und verließ den Saal.
Die Geschwister verzehrten diesen Abend noch ein kleines Mahl mit einander.
Als der nächste Tag angebrochen war, und als Dietwin das Frühmahl in seinem Wohngemache eingenommen hatte, ließ er sich noch viel festlicher kleiden als des Tages zuvor. Dann ging er in seinen zwei Zimmern auf und nieder. Nach einer Zeit erscholl die Glocke der Schloßkapelle. Auf dieses Zeichen ging er in die Kapelle und nahm seinen Sitz in einem wohlgepolsterten Stuhle an der linken Seite des Altares ein. Nach ihm kam Gerlint in einem äußerst schönen aschgrauen Seidenkleide, und setzte sich in einen gleichen Stuhl an der rechten Seite des Altares. In der Tiefe der Kirche saß die Dienerschaft und saßen die Leute Gerlints, es saßen der Kammerdiener, der Diener und der Kutscher Dietwins, und es saßen noch dicht gedrängt viele andere Menschen. Alle waren festlich angetan. Nach der Ankunft Gerlints wurde ein feierlicher Gottesdienst in der Kapelle gehalten.
Nach dem Gottesdienste ging Dietwin in seine Wohnung. Dort nahm er ein großes, breites, flaches Fach von dunkelblauem Leder aus einer Schublade, und ging mit dem Fache in den großen Saal des Schlosses. In dem Saale war ein kostbarer Teppich auf den Marmorboden gebreitet, auf dem Teppiche stand ein sehr geräumiger rotseidener Armstuhl, und in dem Armstuhle saß in ihrem aschgrauen Seidenkleide Gerlint. Sonst war kein einziger Mensch in dem Saale. Sie stand auf, da Dietwin herein getreten war. Er ging zu ihr, und die Geschwister küßten sich. »Gottes Heil mit dir, Gerlint,« sagte er, »und möge dir dieser Tag noch recht oft wiederkehren.«
»Gottes Heil auch mit dir, Dietwin,« sagte sie, »möge auch dir dieser Tag noch recht oft wiederkehren.«
Als diese Worte gesprochen waren, öffnete er das Fach, das er in der Hand hielt. Ein ebener blaßroter Sammet stellte sich dar, und auf dem Sammte lagen vier Reihen großer, gleich makelloser Perlen, in ein Halsband geschlungen.
»Diese Perlen sind schwache Abbilder schöner Gedanken,« sagte er, »möge deine Schönheit sie erst zieren und sie wert machen, daß du dich bei ihnen künftig deines heutigen Geburtstages erinnerst.«
»Dietwin,« sagte sie, »du bist immer gut bei frevelhaften Reden, und diese Perlen sind ein Rittergut.«
»Jede ist ein Ritter unseres Hauses,« antwortete er, »und seit wir keine Vasallen mehr zur Last haben, können wir solche Ritter leicht stellen.«
»Sie werden keine Felonie an unserem Hause üben,« entgegnete sie, »und in diesem Verstande nehme ich sie als eine gemeinschaftliche Macht. Ich danke dir herzlich, Dietwin.«
Sie nahm das Fach, schloß es, und legte es auf einen Tisch, der neben ihrem Stuhle stand.
Von dem Tische nahm sie ein Fach, das aus braunem Leder war. Sie öffnete das Fach, und auf weißem Sammet stellte sich eine blaßbraune einfache Brieftasche dar. Sie nahm die Brieftasche heraus, schlug sie auseinander, und auf weißer Seide zeigte sich eine sehr feine Stickerei aus Gold und kleinen Perlen, die einen Lorbeerkranz bildete.
»Du siehst, wie wir immer die nämlichen Gedanken haben,« sagte sie, »du gibst mir zu meinem Geburtstage Perlen, und ich gebe dir zu deinem Geburtstage, den der Himmel auch an dem heutigen Tage beschert hat, ebenfalls Perlen.«
»Nur daß du noch eine herrliche Arbeit dazu gemacht hast,« antwortete er, »oder ich müßte mich sehr irren, wenn nicht dieser feine Kranz aus deinen sehr kunstgeübten Händen hervorgegangen wäre.«
»Ich habe mich bestrebt, ihn so gut zu machen, als ich konnte«, sagte sie.
»Und ich kann dir eine Arbeit gar nicht machen,« erwiderte er, »es müßte nur ein Gedicht sein, deren ich aber nie andere verfertigte, als uns in der Schule aufgegeben waren, und diese, sagte der Lehrer, seien allemal keine gewesen.«
»Die beste Arbeit, die du mir machst, Dietwin,« sagte sie, »ist dein Leben, daran ich mich erfreue. Der Lorbeerkranz soll
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