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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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diese Dinge doch zu entlegen sind, einmal vorteilhaft verkauft werden könnten, und hier etwas Angrenzendes zu erwerben wäre, so bekäme unser Geschlecht beinahe ein völliges Herzogtum, und wenn sie es durch gute Wirtschaft und Ersparungen wieder vergrößerten, so könnten sie mächtig und tüchtig und reich sein in undenkliche Zeiten hinein. Das sind meine Vorstellungen, Gerlint.«
    »Mein sehr verehrter Bruder,« antwortete Gerlint, »ich werde dir auch meine Vorstellungen sagen. Biberau ist längst Gerlint zugedacht, und du weißt, daß sie es erhält, wenn sich ein annehmbarer Gatte für sie findet. Ich gehe lieber nach Bergen als an einen andern Ort, und um so lieber, weil wir uns dann so nahe sind, wie es, seit wir das Elternhaus verlassen haben, nie der Fall gewesen ist. Und wenn Dietwin Gerlint heiratet, so haben sie einen schönen Grundbesitz, der, wie auch das, was sie von uns noch erben, bei unserem Geschlechte bleibt. Das ist sehr schön. Nun aber kommt das Bedenken. Mit den Gütern können wir schalten, aber mit der Ehe nicht. Ich habe einen alten, frommen Spruch gehört: Ehen werden in dem Himmel geschlossen. Es mußten sehr viele Erfahrungen über diese Angelegenheit gemacht worden sein, sonst wäre der Spruch nicht entstanden. Und ich selber bin eine solche Erfahrung. Wer hätte gedacht, daß Erwin mein Gatte werden würde, als er mit der Gräfin Erklam die Brautbesuche in der Gegend machte? Und doch ist er es geworden. Ein wunderbarer Umstand mußte eine frühere, geheime, nie ganz erloschene Liebe des Fräuleins, die sie ihren Eltern zum Opfer bringen wollte, enthüllen, wunderbare Umstände mußten die Verbindung des Fräuleins mit dem früheren Geliebten ermöglichen und Erwin von seinem Opfer erlösen. Eine Schrift mußte in dem langen Rechtsstreite zwischen Erwins und unsern Eltern gefunden werden, die den Streit günstig für uns entschied. Erwin mußte die Schrift bringen, er mußte so zum ersten Male in unser Haus kommen, und das Herz meines Vaters für sich, den armen Mann, rühren, und dann mußten sich erst noch sein und mein Gemüt in Liebe zusammen finden. Und bist nicht du selbst in jener Zeit noch heftig gegen die Verbindung gewesen? Aber sie wurde geschlossen, und ist so glücklich gewesen, daß kaum eine glücklichere auf der Welt sein kann. Ich werde diesen Mann nie vergessen, und werde, so lange ich noch lebe, nie ein anderes Kleid tragen als ein schwarzes oder graues. Und die gute Agathe trägt sie auch mit mir, obwohl sie sich andere und schönere anschaffen könnte.«
    »Und werden alle Ehen in dem Himmel geschlossen, Gerlint?« fragte Dietwin.
    »Nicht alle«, antwortete Gerlint; »dann sind sie aber völlig keine Ehen. Als die Eltern Erwins ihn mit seiner Braut verbinden wollten, wäre es eine Ehe geworden, die nicht in dem Himmel geschlossen worden wäre; der Himmel verhinderte sie, und schloß dafür eine andere. Ob nun der Himmel die Ehe zwischen Dietwin und Gerlint schließen wird, weiß ich nicht. Ich habe einige Furcht darüber. Du weißt, wie beide Gemüter heftig sind, und heftige Gemüter sträuben sich gegen einander, weil keines das andere sänftigt und zu sich zieht. Haben sie nicht schon damals, da er ein Knabe und sie ein Kind war, immer gezankt? Sie schrie und tobte mit den Füßlein gegen seinen Willen, und er zerstörte ihre Spielsachen und höhnte sie, wenn sie sich nicht fügte. Da er größer wurde, und sie durch einen Bach trug, setzte er sie plötzlich in das Wasser nieder, weil sie ungebärdig war. Die Kinder der Nachbarn und des Dorfes, die ich gerne zu ihnen gesellte, mußten sich ihm unterwerfen, Gerlint tat es nie, und sammelte selber solche um sich, die sich ihr unterwarfen, und wenn zwischen den zwei Scharen im Spiele ein Kampf war, artete er stets in Ernst aus. Du erinnerst dich des Schreckens, da er das Mädchen einmal bei dem Nacken faßte, es zu Boden warf, und mit dem Haupte so lange in das Gras hielt, bis es sich nicht mehr regte, und wie er es dann los ließ, und wie sie aufsprang, ein Messer von unserem Gartentische nahm und nach ihm stach, und wie er die Wunde von uns nicht untersuchen ließ, den Hemdärmel zurückstreifte, und den Arm, von dem Blut herunter rann,wie im Kriegsruhme empor hielt. Sie war blaß geworden, er aber ging schweigend davon. Und als einmal im Sommer Gerlint und die Mädchen eine seidene Schnur über die Brücke zogen, und keinen der jungen Männer hinüber ließen, wenn er sich nicht durch eine Blume oder ein

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