Werke
dem Tode meiner teuern Eltern bei dir war,« sagte Auguste, »und ich bin jetzt wieder gerne bei dir und Gerlint, und was du anordnest, muß ja jedem Menschen gefallen.«
»Du schmeichelst mir wieder,« sprach die Tante, »nun, ich will die Schmeichelei zu verdienen suchen. Du und Gerlint waret euch zugetan, da Gerlint ein Kind war. Vielleicht ist jetzt die Neigung noch da, und wird wachsen.«
»Sie ist ja da, und bedarf nicht zu wachsen«, sagte Auguste.
»Liebe Auguste«, rief Gerlint.
Und die beiden Mädchen schlossen sich in die Arme, und küßten sich.
»So lasse mich einen Augenblick bei dir ausruhen,« sagte die Tante, »was ich sehe, gefällt mir.«
Sie setzte sich mit diesen Worten auf ein Sofa. Die beiden Mädchen setzten sich ihr dicht gegenüber, und faßten sie an den Händen.
»Du bist um einige Jährlein älter, und wirst mir die läßliche Gerlint da schon ein wenig leiten«, sagte die Tante.
»Und ich werde gehorchen«, sagte Gerlint.
»Wir werden uns beide lieben«, sagte Auguste.
»Nun, wir werden schon auch für einige Vergnügungen in dem Schlosse sorgen,« sprach die Tante, »wo zwei so zierliche Gestalten wohnen, dahin werden wohl auch die Nachbarn gerne kommen.«
»Meinetwegen kommt keiner«, sagte Auguste.
»Frevle nicht, Mühmlein,« sprach die Tante, »du hast doch Seufzer auf deinem Gewissen, die du nicht erhöret hast.«
»Sie waren vielleicht nicht Ernst, weil ich sie nicht verstanden habe«, entgegnete Auguste.
»Ehen werden in dem Himmel geschlossen,« sagte die Tante, »und wenn es der Himmel fügt, wirst du die Seufzer schon verstehen. Und nun, meine Kinder, lasset mich, und tut, was ihr in den ersten Augenblicken eures Beisammenseins für ersprießlich erachtet.«
Sie befreite ihre Hände von denen der Mädchen, und verließ das Zimmer.
Die Mädchen aber gingen daran, mit Hilfe der Dienerinnen die Wohnung Augustens in Ordnung zu richten.
An diesem Tage war auch ein Mahl zu Ehren der Ankunft Augustens.
Dann wandelte man herum, wie an dem vorherigen Tage.
Und so wurden vier Tage in gegenseitigem verwandtschaftlichen Umgange und Verkehre zugebracht.
Am fünften Tage nahm Dietwin nach dem Frühmahle von der Tante, von Gerlint und Auguste Abschied, weil er nach Weidenbach zurückkehren wollte.
Darauf wurde ein Wagen, der mit Silber verziert war, aus dem Wagenbehälter in den Hof geschoben, und zwei braune Pferde in silberbeschlagenen Geschirren davor gespannt. Hinter den Staatswagen wurde der leichte Wagen Dietwins gestellt, und zwei junge, goldlichte Pferde vor denselben gespannt.
Dann stiegen die drei, die Tante, der Oheim und Gerlint, in den Staatswagen, und Ferdinand und Joseph sprangen hinten auf das Brett desselben.
Dietwin setzte sich auf den Bock seines Wagens, und sein Kutscher setzte sich hinein.
Auf diese Weise fuhren sie eine ziemliche Strecke auf der Straße von dem Schlosse weg.
Dann aber lenkte der erste Wagen rechts in einen Seitenweg ein, und ging auf demselben fort. Dietwins Wagen fuhr auf der geraden Straße weiter, daß der Staub empor wirbelte, und daß man die Räder kaum zu sehen vermochte.
Der Staatswagen kam nach einer Zeit vor das Schloß Wengern.
Der Oheim und die Tante stellten Gerlint dem Herrn und der Frau des Schlosses und ihren Angehörigen als eine neue Mitbewohnerin von Biberau vor.
Nach einer kurzen Zeit fuhren sie wieder weiter.
Gerlint wurde an diesen und an den folgenden Tagen noch in mehreren andern Schlössern vorgestellt.
Darauf begannen die Besuche der Nachbarn in dem Schlosse Biberau.
Es kamen reiche Grundbesitzer, es kamen solche, die in einem Schlosse wie einst Ritter in ihrer Burg hausten, und es kamen auch Leute ohne Adel, mit denen aber ihrer Stellung wegen die von der Weiden stets Umgang gepflogen hatten. Vielfache Unruhe wurde dadurch in dem Schlosse bereitet, und seine Gastfreundschaft in mancherlei Weise in Anspruch genommen. Der Oheim war in dieser Zeit immer in Biberau, weil er mit seiner Schwester die Nichte Gerlint bei den Leuten vorgestellt hatte. Dietwin fuhr zuweilen unvermutet mit seinen goldhellen Pferden in das Schloß, und tat sich unter den Bewohnern und Besuchern herum. Hierauf fuhr er wieder von dannen. Er lenkte die Pferde immer selbst.
Die Feierlichkeitsbesuche der Nachbarn endeten zuletzt, nachdem alle da gewesen waren, zu denen die Geschwister Gerlint geführt hatten.
Man konnte jetzt erst recht daran gehen, sich in dem Schlosse und in den neuen Verhältnissen zurecht zu finden. Die
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