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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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meldete sich die Not im Hause und endlich die Hilflosigkeit. Da raffte sich Judith auf, tat schwere und grobe Arbeit jeder Art, weil sie anderes nicht verstand, und ernährte den Mann und die Kinder. So kam sie in mein Haus, und hat jetzt, glaube ich, eine gesicherte Stellung. Vor solchen Menschen muß man Achtung haben. Sie tut ihre Arbeit fröhlich und lachend, die ihr untergeordnet sind, lieben sie, und du wirst sie, und sie wird dich lieben.«
    »Ich achte Judith, und werde mir ihre Neigung zu erwerben suchen«, sagte Gerlint.
    »Zu Sendungen habe ich dir Mathias und Ferdinand befohlen,« sprach die Tante, »und irgend eine gelegentliche Verrichtung ist dir jeder meiner Diener und jede meiner Dienerinnen schuldig. So, meine ich, ist für das Bedürfnis und für die Würde gesorgt, und ich bitte dich, sage mir, ob du die Sache anders wünschest.«
    »Du sorgest reichlicher für mich, als ich es bedarf, meine vielgeliebte Mutter,« sprach Gerlint, »ich wünsche nichts mehr. Und dann habe ich ja noch eine Dienerin, die schaffen und schalten wird.«
    »Nun?« fragte die Tante.
    »Mich selber«, antwortete Gerlint.
    »Ich weiß, du ergriffest alles, da du ein Kind warst, und suchtest es zu Überwinden,« sagte die Tante, »du wirst jetzt auch deine Zeit mit deiner Tätigkeit erfüllen, wie es dir deine Einsicht gebietet. Diese Mauern sollen dir die Mittel geben, wie sie es nur vermögen, und nicht bloß die Mauern, sondern auch Wald und Flur und Feld, die zu uns gehören, und die Nachbarschaft soll Zeuge dessen sein, was du wirkest, den Ruhm und Wert unseres Hauses zu erhöhen.«
    »Ich werde die letzte nicht sein, den Wert des Stammes zu bewahren«, antwortete Gerlint.
    »Ich glaube es dir,« sagte die Tante, »und nun gehen wir in deine Wohnung, daß dir die Leute vorgestellt werden.«
    Und die Tante erhob sich, und Gerlint auch, und sie gingen in das Wohngemach Gerlints.
    Die Tante schellte, und als ein Diener erschienen war, sagte sie: »Die sollen kommen, welche in der Halle warten.«
    Der Diener ging fort.
    »Setze dich, Gerlint«, sagte die Tante. Gerlint setzte sich, die Tante auch.
    Nach kurzer Zeit kamen Sophie, Martha, Judith, Mathias und Ferdinand.
    »Stellt euch in eine Reihe«, sagte die Tante. Sie taten es.
    Dann sprach die Tante: »Das Fräulein von der Weiden, meine geliebte Nichte, hat genehmigt, daß ihr die Dienste bei ihr tut, zu denen ich euch angewiesen habe. Ihr steht vor dem Angesichte eurer jungen Herrin. Küßt ihr zum Zeichen eures Diensteintrittes die Hand.«
    Jedes von den Angeredeten näherte sich, und küßte Gerlint die Hand.
    »Nun entferne ich mich,« sagte die Tante, »eure Herrin wird euch noch sagen, was ihr gut deucht. Lebe wohl, Gerlint, und bringe deine Zeit bis zum Mittagmahle hin.«
    »Ich werde dich bis zu deiner Wohnung geleiten«, sprach Gerlint.
    »Es freut mich«, antwortete die Tante. Und sie gingen zur Türe hinaus.
    Nach kurzem kam Gerlint wieder zurück, und sprach zu den Leuten: »Meine lieben Kinder, ich habe euch nicht viel zu sagen. Ich hoffe, daß wir mit einander gut sein werden. Tut mir manchen Gefallen, ich werde nichts Unbilliges fordern.«
    »Ich werde jeden Befehl erfüllen«, sagte Sophie. »Ich auch, ich auch«, riefen die andern.
    »Und nun könnt ihr euch entfernen«, sprach Gerlint.
    Die Leute küßten ihr noch einmal die Hand, und gingen fort.
    Gerlint aber setzte sich auf ihr Sofa.
    Als sie dort eine geraume Zeit gesessen war, schellte sie. Sophie kam.
    »Sophie,« sagte sie, »suche mir das leichte graue Tuch hervor, ich werde allein in den Garten gehen. Richte dich indessen mit Martha in den zwei Zimmern zurecht. Seid verträglich und zankt nicht.«
    »Ich werde gehorchen«, sagte Sophie.
    Nach diesen Worten nahm sie ein weiches silbergraues Tuch aus einem Fache, und legte es ihrer Herrin um die Schultern. Dann wurde noch ein Hut aufgesetzt, und ein leichter Schirm genommen.
    Hierauf verließ Gerlint das Zimmer.
    Sie ging über die große Schloßtreppe in den Hof hinunter, und von dem Hofe durch einen Bogen in den Garten. Zuerst war ein dichtes Wäldchen von wilden Kastanien. Unter den Bäumen standen Tische und Stühle. Sie schritt durch das Wäldchen. Außerhalb desselben waren dann links die Gewächshäuser, rechts ein Blumengarten, untermischt mit Zwergobst und Gemüsen. Sie erwiderte freundlich den Gruß des Gärtners und seiner Gehilfen, die da arbeiteten. Weiter hin ging sie durch den Gemüse- und Obstgarten. Dann kam ein Wald von Bäumen

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