Werke
und Auguste gingen in den Kleidern, die man zu dem Frühmahle gewöhnlich hatte, in den kleinen Speisesaal, und in demselben wurde gemeinschaftlich unter Gesprächen das Frühmahl eingenommen. Nach einer Stunde verließ man den Saal. Gerlint geleitete meistens die Tante in ihr Gemach, und sprach noch verschiedenes mit ihr. Nach dieser Zeit ordnete sie mit ihren Mädchen an, was diese an dem Tage tun sollten. Hierauf ging sie entweder mit der Tante, die in ihren Geschäften war, herum, oder sie ging allein in den Garten oder in eines der Wäldchen, oder in die Felder und Wiesen. Sie besuchte zu dieser Zeit auch bisweilen mit der Tante eines oder das andere Haus der Umwohner des Schlosses. Auguste war manches Mal mit der Tante und ihr, oder mit ihr allein; meistens aber brachte sie diese Zeit allein zu. Um zwölf Uhr kleidete man sich festlich zu dem Mahle an. Um ein Uhr tönte die Speiseglocke, und es wurde in dem kleinen Saale das Mittagmahl eingenommen. Nach demselben war Gerlint mit Auguste und Agathe eine Weile bei der Tante. Dann brachte sie wieder eine Stunde an ihrem Schreibtische zu. Sie blieb in der wärmeren Tageszeit in ihrer Wohnung. Dann war sie wieder viel im Freiem Die Zeit nach dem Abendmahle brachte man öfter in dem Gemache der Tante zu. Es war aber dies keine Regel, und jedes durfte diese Zeit auch verwenden, wie es wollte.
Gerlint lernte, was die Tage in der Verwaltung des Gutes brachten, immer genauer kennen, und die Tante und Adam und der Gärtner waren ihre Lehrmeister. Ihre Tätigkeit, die anfangs unbestimmter war, wurde immer geregelter, und die Tante ließ sie an manchem Teil nehmen, und ließ ihr in manchem freie Hand.
Der Oheim kam öfter in das Schloß, öfter kam Dietwin, öfter kamen sie mit einander.
Gerlint und Dietwin waren sehr höflich gegen einander, aber gemessen. In ihren Meinungen war oft Streit, und er wurde mit Kraft geführt.
Die Tante besuchte mit Gerlint und Auguste und Agathe ihren Bruder und auch Dietwin, und alles wurde auf den Gütern derselben genau besichtigt.
Zuweilen kamen Besuche der Nachbarn nach Biberau, zuweilen fuhren die Tante und Gerlint und Auguste zu den Nachbarn, und der Oheim und Dietwin gesellten sich manches Mal dazu.
Indessen waren die Gefäße zu den Blumen und die Gestelle nach den Zeichnungen fertig geworden. Gerlint schmückte nun ihre Wohnung mit Gewächsen, die Tante gab ihre Genehmigung hiezu, und der Gärtner lieferte aus, was Gerlint verlangte.
In dieser Zeit verschrieb Gerlint die schönsten und auch alle neuesten Rosen. Sie mußten sämtlich aus Reisern auf Hagebuttenstämme gepfropft sein. Als die Bäumchen angekommen waren, legte sie an einer Stelle des Gartens, die ihr geeignet schien, und die sie mit Hilfe des Gärtners hatte zurichten lassen, ein Rosengehege an. Sie pflegte die Stämmchen selber, und Judith war hiebei ihre Handlangerin. Dietwin kam eines Tages, und besah diese Anlage sehr genau; sprach aber kein Wort darüber. Eben so sagte er nichts über die Gewächsanordnung in der Wohnung Gerlints, als er einmal mit dem Oheim von der Tante zu Gerlint geführt worden war.
Unter den Besuchern, welche zuweilen in das Schloß kamen, waren auch junge Männer, und manche wendeten Gerlint Aufmerksamkeiten zu. Sie aber war gegen alle gleich. Auf dieselbe Weise war es auch, wenn die Bewohner von Biberau und der Oheim und Dietwin auf irgend ein Gut zu einer Festlichkeit oder bei einer andern Gelegenheit geladen wurden.
So kam nach und nach der Herbst.
Im Anfange des Aufenthaltes Gerlints in Biberau kamen sehr viele Briefe von Freundinnen, die mit ihr in der Erziehungsanstalt gewesen waren, an. Diese Briefe wurden gegen die späte Jahreszeit seltener, und Gerlint hatte also auch seltener zu antworten.
Der Herbst ging mit seinen mannigfaltigen Beschäftigungen, die er gebracht hatte, vorüber, und es ging der Winter nach mancher häuslichen Arbeit, die man sich auferlegte, nach manchen Zusammenkünften, die man pflegte, nach manchen Belustigungen, die man im Zimmer, dann im Freien auf Spaziergängen, auf dem Eise, auf Schlittenfahrten veranstaltete, vorüber.
Als der vierundzwanzigste April in dem Schlosse Biberau gefeiert wurde, und als der Oheim und die Tante ihr alljährliches Zwiegespräch in der Stube der Tante hielten, sagte sie: »Du hast gemeint, lieber Bruder, Dietwin werde stürmischer verfahren, als Erwin verfahren ist, und nun zeigt sich noch gar nichts.«
»Es ist eben die Zeit noch nicht gekommen, in welcher der Sturm
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