Werke
es einer Erklärung bedürfen könnte. Während dieses meines Aufenthaltes erfuhr ich auch, daß Mathilde das Schloß von einem vornehmen Manne gekauft hatte, der selten auf demselben gewesen war und es ziemlich vernachlässigt hatte. Vor ihm war es im Besitze einer Verwandten gewesen, deren Großvater es gekauft hatte. In der Zeit vorher war ein häufiger Wechsel der Eigentümer gewesen, und das Gut war sehr herab gekommen. Mathilde fing damit an, daß sie die zum Schlosse gehörigen Untertanen, welche Zehnte und Gaben in dasselbe zu entrichten hatten, gegen ein vereinbartes Entgelt für alle Zeiten von ihren Pflichten entband und sie zu unbeschränkten Eigentümern auf ihrem Grunde machte. Das zweite, was sie tat, bestand darin, daß sie die Liegenschaften des Schlosses selber zu bewirtschaften begann, daß sie einen geschlossenen Hausstand von Gesinde und ihrer eigenen Familie begründete und mit diesem Hausstande lebte.
Sie richtete den Meierhof zurecht, und brachte mit Hilfe tätiger Leute, die sie aufnahm, die Felder, die Wiesen und Wälder in einen besseren Stand. Die schönen Zeilen von Obstbäumen, welche durch die Fluren liefen, und die mir bei meinem ersten Aufenthalte schon so sehr gefallen hatten, waren von ihr selber gepflanzt, und wenn sie gute, selbst ziemlich erwachsene Obstbäume irgendwo erhalten konnte, so scheute sie nicht die Zeit und den Aufwand, sie bringen und auf ihren Grund setzen zu lassen. Da die Nachbarn dieses Verfahren allmählich nachahmten, so erhielt die Gegend das eigentümliche und wohlgefällige Ansehen, das sie von den umliegenden Ländereien unterschied.
Die Gemälde, welche sich in den Wohnzimmern Mathildens und Nataliens befanden, hatten nach meiner Meinung im ganzen genommen zwar nicht den Wert wie die im Asperhofe, aber es waren manche darunter, welche mir nach meinen jetzigen Ansichten mit der größten Meisterschaft gemacht schienen. Ich sagte die Sache meinem Gastfreunde, er bestättigte sie und zeigte mir Gemälde von Tizian, Guido Reni, Paul Veronese, Van Dyck und Holbein. Unbedeutende oder gar schlechte Bilder, wie ich sie, so weit mir jetzt dieses meine Rückerinnerung plötzlich und wiederholt vor Augen brachte, in manchen Sammlungen, die mir in früheren Jahren zugänglich gewesen waren, gesehen hatte, befanden sich weder in der Wohnung Mathildens noch in dem Asperhofe. Wir sprachen auch hier so wie in dem Rosenhause von den Gemälden, und es gehörte zu den schönsten Augenblicken, wenn ein Bild auf die Staffelei getan worden war, wenn man die Fenster, die ein störendes Licht hätten senden können, verhüllt hatte, wenn das Bild in die rechte Helle gerückt worden war, und wenn wir uns nun davor befanden. Mathilde und mein Gastfreund saßen gewöhnlich, Eustach und ich standen, neben uns Natalie, und nicht selten auch Gustav, welcher bei solchen Gelegenheiten sehr bescheiden und aufmerksam war. Öfter sprach hauptsächlich mein Gastfreund von dem Bilde, öfter aber auch Eustach, wozu Mathilde ihre Worte oder einfachen Meinungen gesellte. Man wiederholte vielleicht oft gesagte Worte, man zeigte sich manches, das man schon oft gesehen hatte, und machte sich auf Dinge aufmerksam, die man ohnehin kannte. So wiederholte man den Genuß und verlebte sich in das Kunstwerk. Ich sprach sehr selten mit, höchstens fragte ich und ließ mir etwas erklären. Natalie stand daneben und redete niemals ein Wort.
Zur Nymphe des Brunnens, die unter der Eppichwand im Garten war, ging ich auch öfter. Früher hatte ich den wunderschönen Marmor bewundert, desgleichen mir nicht vorgekommen war; jetzt erschien mir auch die Gestalt als ein sehr schönes Gebilde. Ich verglich sie mit der auf der Treppe im Hause meines Gastfreundes stehenden. Wenn auch jenes an Hoheit, Würde und Ernst weit den Vorzug in meinen Augen hatte, so war dieses doch auch für mich sehr anmutig, weich und klar, es hatte eine beschwichtigende Ruhe, wie die Göttin eines Quells sollte, und hatte doch wieder jenes Reine und, ich möchte sagen, Fremde, das ein Gemälde nicht hat, das aber der Marmor so gerne zeigt. Ich wurde mir dieser Empfindung des Fremden jetzt klarer bewußt, und ich erfuhr auch, daß sie mich schon in früherer Zeit ergriffen hatte, wenn ich mich Marmorbildwerken gegenüber befand. Es wirkte bei dieser Gestalt noch ein Besonderes mit, was in meiner Beschäftigung der Erdforschung seinen Grund hat, nämlich, daß der Marmor gar so schön und fast fleckenlos war. Er gehörte zu jener Gattung,
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