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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die in dem Garten enthalten war. Ebenso wurde alles, was sich auf die Landwirtschaft bezog, auf das genaueste durchgenommen. Gegen den Abend, wenn die Sonnenstrahlen milde auf die blühende Erde leuchteten, wurde ein gemeinschaftlicher Gang durch irgend einen Teil der Gegend gemacht. Wiederholt gingen wir die ganze Länge des Berührweges durch, und die Eltern fanden Gefallen an dieser Bahn, die eine freie und rüstige Bewegung in trüben Tagen so wie im Winter auf eine angenehme Weise gestatte. Der Vater konnte über alles der Freude und des Lobes kein Ende finden. Mathilde und die Mutter sprachen oft lange und immer sehr freundlich mit einander, sie tauschten wahrscheinlich ihre Ansichten über Häuslichkeit und Verwaltung des Zugehörigen aus. Natalie und Klotilde waren fast unzertrennlich, sie schlossen sich an einander an, bezeigten sich jede Innigkeit, und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt waren, gingen sie noch auf einem einsamen Wege des Gartens oder auf einem Pfade des nächstgelegenen Feldes herum.
    »Siehst du, Klotilde,« sagte ich, »ich konnte dir kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war, jetzt hast du sie selber.«
    »Um wie viel lieber als jedes Bild,« antwortete sie, »aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, damit man später wisse, wie sie in diesen Jahren ausgesehen habe.«
    Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem Sternenhofe, und jeder Tag fand seine freundliche Beschäftigung. Am neunten wurden die Anstalten gemacht, daß wir alle in das Rosenhaus abreisen konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unserem Reisewagen. Natalie, Klotilde und ich in dem Wagen Mathildens.
    Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein Vater seine Neugierde kaum mehr bemeistern. Ich sah ihn öfter in dem Wagen aufstehen und herumblicken. Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen auf entferntere Wälder nieder, Sonnenblicke schnitten goldne Bilder auf den Hügeln und Ebenen aus, und das Haus meines Gastfreundes schaute sanft von seiner Anhöhe hernieder. Obwohl, da wir von der Stadt abfuhren, dort bereits alles in Blüte stand, war in der Umgebung des Rosenhauses trotz der Zeit, die wir auf der Reise und in dem Hause Mathildens zugebracht hatten, doch noch die Baumblüte nicht vorüber, sondern sie war erst in ihrer vollen Entfaltung. Denn das Land hier lag um ein Bedeutendes höher als die Stadt. Ein Teil des Wintergetreides stand auf dem Hügel in üppigstem Wuchse, ein Teil schickte sich dazu an, das Sommergetreide keimte hie und da, und hie und da war noch die braune Erde zu sehen.
    Mein Gastfreund hatte durch Mathilden Nachricht von unserer Ankunft erhalten. Als wir bei dem Gitter anfuhren, stand er mit Gustav, Eustach, Roland, mit der Haushälterin Katharine, mit dem Hausverwalter, mit dem Gärtner und anderen Leuten auf dem Sandplatze vor dem Gitter, um uns zu empfangen. Wir stiegen aus, und da standen sich nun mein Vater und mein Gastfreund gegenüber. Der letztere hatte schneeweiße Haare, mein Vater etwas minder weiße, aber liebe, ehrwürdige Männer waren beide. Sie reichten sich die Hand, sahen sich einen Augenblick an, und schüttelten sich dann ihre Rechte herzlich.
    »Seid mir gegrüßt, seid mir tausendmal gegrüßt an meiner Schwelle,« sagte mein Gastfreund, »selten ist hier einer eingegangen, der so willkommen gewesen wäre wie Ihr, und selten habe ich mich nach jemanden so gesehnt wie nach Euch. Wir sind nun so lange in Verbindung, und ich habe Euch schon so lange in der Liebe Eures Sohnes geliebt.«
    »Ich Euch in der Liebe Eures jungen Freundes,« erwiderte mein Vater, »es ist einer meiner liebsten Tage, der mich unter dieses Dach bringt. Ich komme in das Haus des Mannes, den ich durch meinen Sohn kenne, obgleich ich auch den Staatsmann hochachten muß. Ich komme mit der Schuld des Dankes belastet. Ihr habt mich ausgezeichnet, ehe ich es nur im geringsten Maße um Euch verdient hatte.«
    »Laßt das jetzt, es machte mir ja selber Freude,« entgegnete mein Gastfreund, »aber seht, so begeht man Fehler, wenn man von einer Leidenschaft befangen ist, besonders, wenn zwei alte Altertumsfreunde zusammentreffen. Ich habe versäumt, Eurer verehrten Gattin meinen ersten Gruß darzubringen, wie es Pflicht gewesen wäre. Aber, teure Frau, Ihr werdet es, wenn auch nicht ganz entschuldigen, doch als ein geringeres Vergehen ansehen als eine andere Frau, da Ihr Euren Gatten und seine Beziehung zu seinen Schätzen kennt. Seid mir gegrüßt, und wenn ich sage, daß ich

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