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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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lasse das Kästchen bringen«, entgegnete mein Vater.
    Es geschah. Der Faden mit dem Siegel wurde entzwei geschnitten, das Kästchen geöffnet, und auf weißem Samt lag ein außerordentlich schöner Schmuck von Smaragden. Ein allgemeiner Ruf der Verwunderung machte sich hörbar. Nicht nur waren die Steine an sich, obwohl nicht zu den größten ihrer Art gehörend, sehr schön, sondern die Fassung, die Steine nicht drückend, war doch so leicht und so schön, daß das Ganze wie ein zusammengehöriges, in einander gewachsenes Werk, wie ein wirkliches Kunstwerk erschien. Selbst Eustach und Roland sprachen ihre Bewunderung aus, und vollends Risach. Sie versicherten, daß sie keine neue Arbeit gesehen hätten, die dieser gliche.
    »Dein Freund, mein Heinrich, hat diesen Schmuck fertigen lassen,« sagte mein Vater, »wir haben Smaragde gewählt, weil er eben sehr schöne und in erforderlicher Anzahl hatte, weil Smaragde unter allen farbigen Steinen den Ton des weiblichen Halses und Angesichtes am sanftesten heben, und weil du tief gefärbte und reine Smaragde so liebst. Und alle hier sind tief und rein. Wir haben gesucht, nach deinen Grundsätzen die Steine fassen zu lassen. Es sind viele Zeichnungen gemacht, gewählt, verworfen und wieder gewählt worden. Es dürfte der beste Zeichner unserer Stadt sein, der endlich das Vorliegende zusammen gestellt hat. Es wurde hierauf beinahe Tag und Nacht gearbeitet, um zu rechter Zeit fertig zu sein. Geöffnet sollte das Kästchen darum nicht werden, damit meine Tochter nicht etwa bloß mir zu Liebe diesen Schmuck an ihrem Trauungstage nehme, und einen schöneren und kostbareren, den sie besitze, zu ihrem Leidwesen ruhen lasse.«
    »Sie besitzt keinen schöneren,« erwiderte Risach, »wir haben den, welchen sie heute trug, nach Zeichnungen, die wir aus mittelalterlichen Gegenständen frei zusammen trugen, ebenfalls bei Heinrichs Freunde verfertigen lassen. Mathilde, laß doch den Schmuck herbei bringen, daß wir beide vergleichen.«
    Mathilde reichte an Natalien ein Schlüsselchen, und diese holte selber das Fach, in welchem der Schmuck lag. Er war eine Zusammensetzung von Diamanten und Rubinen. Er sah so zart, rein und edel aus, wie ein in Farben gesetztes mittelalterliches Kunstwerk. Ein wahrer Zauber lag um diese Innigkeit von Wasserglanz und Rosenröte in die sinnigen Gestalten verteilt, die nur aus den Gedanken unserer Vorfahren so genommen werden können. Und dennoch stand nach einstimmigem Urteile der Smaragdschmuck nicht zurück. Der Künstler der Gegenwart kam zu Ehren.
    »Es ist aber auch keiner in unserer Stadt und vielleicht in weiten Kreisen, der so zeichnen kann,« sagte mein Vater, »er huldigt keinem Zeitgeschmacke, sondern nur der Wesenheit der Dinge, und hat ein so tiefes Gemüt, daß der höchste Ernst und die höchste Schönheit daraus hervorblicken. Oft wehte es mich aus seinen Gestalten so an wie aus den Nibelungen oder wie aus der Geschichte der Ottone. Wenn dieser Mann nicht so bescheiden wäre und statt den Dingen, womit man ihn überhäuft, lieber große Gemälde machte, er würde seines Gleichen jetzt nicht haben und nur mit den größten Meistern der Vergangenheit zusammengestellt werden können.«
    »Ein Schmuck in seinem Fache«, sagte eine Stimme, »ist doch wie ein Bild ohne Rahmen, oder noch mehr wie ein Rahmen ohne Bild.«
    »Freilich ist es so,« entgegnete Risach, »man kann jedes Ding nur an seinem Platze beurteilen, und da mein Freund als mein Nebenbuhler aufgetreten ist, so wäre es nicht zu verwerfen – – Natta, bist du mein liebes Kind?«
    »Vater, wie gerne!« antwortete diese.
    Sie stand von ihrem Stuhle auf, entfernte sich, und kam so gekleidet wieder, daß man ihr einen kostbaren Schmuck umlegen konnte. Es geschah zuerst mit den Diamanten und Rubinen. Wie herrlich war Natalie, und es bewährte sich, daß der Schmuck der Rahmen sei. Am Vormittage in beklemmenden und tieferen Gefühlen befangen, konnte ich dem Schmucke keine Aufmerksamkeit schenken. Jetzt sah ich die schönen Gestaltungen wie von einem sanften Scheine umgehen. Im Mittelpunkte aller Blicke errötete die junge Frau, und die Rosen ihrer Farbe gaben den Rubinen erst die Seele, und empfingen sie von ihnen. Der Ausdruck der Bewunderung war allgemein. Hierauf wurde der Smaragdschmuck umgelegt. Aber auch er war vollendet. Der dunkle, tiefe Stein gab der Oberfläche von Nataliens Bildungen etwas Ernstes, Feierliches, fremdartig Schönes. War der Diamantschmuck wie fromm

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