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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Glück, das die wahrste Freude hervorbringen muß.«
    Wir blieben ziemlich lange, und erwarteten das völlige Entfalten.
    »Es kommen auch nicht viele Blumen wie bei gemeinen Gewächsen hervor,« sagte Simon wieder, »sondern stets nur eine, später etwa wieder eine.«
    Mein Gastfreund schien wirklich Freude an der Blume zu haben, ebenso auch Mathilde. Natalie und ich dankten Simon besonders für seine große Aufmerksamkeit und sagten, daß wir ihm diese Überraschung nie vergessen werden. Dem alten Manne standen die Tränen in den Augen. Er hatte Lampen um die Blume angebracht, die bei hereinbrechender Dämmerung angezündet werden sollten, wenn etwa jemand die Blume in der Nacht betrachten wolle. Bei längerem Anschauen gefiel uns die Blume immer mehr. Es dürften in unsern Gärten wenige sein, die an Seltsamkeit, Vornehmheit und Schönheit ihr gleichen. Von den Anwesenden hatte sie nie einer gesehen. Wir gingen endlich fort, und der eine und der andere versprach, im Laufe des Abends noch einmal zu kommen.
    Da wir auf dem Rückwege waren und an dem Gebüsche, das sich in der Nähe des Lindenganges befindet, vorbeigingen, ertönte dicht am Wege in den Büschen ein Zitherklang. Risach, welcher meine Mutter führte, blieb stehen, ebenso mein Vater und Mathilde, und dann auch die andern, die sich eben in unserer Nähe befanden. Ich war mit Natalien mehr gegen den Busch getreten; denn ich erkannte augenblicklich den Klang meines Zitherspiellehrers. Er trug eine ihm eigentümliche Weise vor, dann hielt er inne, dann spielte er wieder, dann hielt er wieder inne, und so fort. Es waren lauter Weisen, die er selber ersonnen hatte, oder die ihm vielleicht eben in dem Augenblicke in den Sinn gekommen waren. Er spielte mit aller Kraft und Kunst, die ich an ihm so oft bewundert hatte, ja er schien heute noch besser als je zu spielen. Es war, als wenn er nichts auf Erden liebte als seine Zither. Alles, was sich in der Nähe befand, lauschte unbeweglich, und nicht einmal ein Zeichen eines Beifalles wurde laut. Nur Mathilde sah einmal auf Natalien hin, und zwar so bedeutsam, als wollte sie sagen: das haben wir nicht gehört, und das vermögen wir nicht hervorzubringen. Die Zither war ein lebendiges Wesen, das in einer Sprache sprach, die allen fremd war, und die alle verstanden. Als die Töne endlich nicht mehr wieder beginnen zu wollen schienen, trat ich mit Natalien ins Gebüsch, und da saß mein Zitherspiellehrer an einem Tischchen und hatte seine Zither vor sich. Sein Anzug war graues Tuch und sehr abgetragen, sein grüner Hut lag neben der Zither auf dem Tische.
    »Joseph, bist du wieder in der Gegend?« fragte ich ihn.
    »So recht nicht,« antwortete er, »ich bin gekommen, Euch auf der Hochzeit einmal gut aufzuspielen.«
    »Das hast du getan, und das kann keiner so,« sagte ich, »du sollst dafür eine Freude haben, und ich weiß dir eine zu verschaffen, welche dir die größte ist. Bessere Hände können das, was ich dir geben will, nicht fassen, als die deinen. Das Rechte muß zusammenkommen. Ich bin dir ohnehin auch noch einen Dank schuldig für dein eifriges Lehren und für deine Begleitung im Gebirge.«
    »Dafür habt Ihr mich bezahlt, und das Heutige tat ich freiwillig«, sagte er.
    »Warte nur einige Tage hier, dann wirst du empfangen, was ich meine«, sprach ich.
    »Ich warte gerne«, erwiderte er.
    »Du sollst gut gehalten sein«, sagte ich.
    Indessen waren alle andern auch herbeigekommen und überschütteten den Mann mit Lob. Risach lud ihn ein, eine Weile in seinem Hause zu bleiben. Er spielte noch einige Weisen, er vergaß beinahe, daß ihm jemand zuhöre, spielte sich hinein, und hörte endlich auf, ohne auf die Umstehenden Rücksicht zu nehmen, genau so, wie er es immer tat. Wir entfernten uns dann.
    Ich rief sogleich den Hausverwalter herbei, sagte ihm, er möge mir einen Boten besorgen, welcher auf der Stelle in das Echertal abzugehen bereit sei. Der Hausverwalter versprach es. Ich schrieb einige Zeilen an den Zithermacher, legte das nötige Geld bei, versprach noch mehr zu senden, wenn es nötig sein sollte, und verlangte, daß er die dritte Zither, welche die gleiche von der meinigen und der meiner Schwester sei, in eine Kiste wohlverpackt dem Boten mitgebe, der den Brief bringt. Der Bote erschien, ich gab ihm das Schreiben und die nötigen Weisungen, und er versprach, die heutige Nacht zu Hilfe zu nehmen und in kürzester Frist zurück zu sein. Ich hielt mich nun für sicher, daß nicht etwa im letzten

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