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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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erschienen, so erschien der Smaragdschmuck wie heldenartig. Keiner erhielt den Preis. Risach und der Vater stimmten selber überein. Natalie nahm ihn wieder ab, beide Schmuckstücke wurden in ihre Fächer gelegt, Natalie trug sie fort, und erschien nach einer Zeit wieder in ihrem früheren Anzuge.
    Bei dem Smaragdschmucke hatte sich etwas Auffälliges ereignet. Von ihm waren die Ohrgehänge im Fache zurückgeblieben. Der Diamantschmuck enthielt keine Ohrgehänge. Mathilde und Natalie trugen Ohrgehänge nicht, weil nach ihrer Meinung der Schmuck dem Körper dienen soll. Wenn aber der Körper verwundet wird, um Schmuck in die Verletzung zu hängen, werde er Diener des Schmuckes.
    Als noch immer von den Steinen gesprochen wurde, was ihre Bestimmung sei, und wie sie sich auf dem Körper ganz anders ansehen lassen als in ihrem Fache, sagte Eustach etwas, das mir als sehr wahr erschien: »Was die innere Bestimmung der Edelsteine ist,« sprach er, »kann nach meiner Meinung niemand wissen: für den Menschen sind sie als Schmuck an seinem Körper am schönsten, und zwar zuerst an den Teilen, die er entblößt trägt, dann aber an seinem Gewande, und an allem, was sonst mit ihm in Berührung kommt, wie Königskronen, Waffen. An bloßen Geräten, wie wichtig sie sind, erscheinen die Steine als tot, und an Tieren sind sie entwürdigt.«
    Man sprach noch länger über diesen Gegenstand und erläuterte ihn durch Beispiele.
    »Da heute unser Wettkampf unentschieden geblieben ist,« sagte Risach zu meinem Vater, »so wollen wir nun sehen, wer mit geringerem Aufwande seinen Sitz zu einem größeren Kunstwerke machen kann, du deinen Drenhof, oder wenn du ihn lieber Gusterhof nennen willst, oder ich meinen Asperhof.«
    »Du bist schon im Vorsprunge«, entgegnete mein Vater, »und hast gute Zeichner bei dir; ich fange erst an, und mein Zeichner liefert mir wahrscheinlich keine Zeichnung mehr.«
    »Wenn es uns im Asperhofe an Arbeit fehlt, so werden wir in den Drenhof hinüber geliehen«, sagte Eustach.
    »Auch dann, wenn wir hier Arbeit haben,« erwiderte Risach, »ich will dem Feinde Waffen liefern.«
    Der Nachmittag war ziemlich vorgerückt, und es fehlte nicht mehr viel zum Abende. Das Mahl war schon längst aus, und man saß nur mehr, wie es öfter geschieht, im Gespräche um den Tisch.
    Mir war schon länger her das Benehmen des Gärtners Simon aufgefallen; denn er, so wie die vorzüglicheren Diener des Hauses und Meierhofes, war zu Tische geladen worden. Die andern hatten in dem Meierhofe ein Mahl. Ich hatte ihm am Morgen zur Erinnerung an den heutigen Tag eine silberne Dose mit meinem Namen in dem Deckel gegeben. Diese Dose hatte er bei sich auf dem Tische und sprach ihr unruhig zu. Manches Mal flüsterte er mit seinem Weibe, das an seiner Seite saß, und öfter ging er fort und kam wieder. Eben trat er nach einer solchen Entfernung wieder in den Saal. Er setzte sich nicht und schien mit sich zu kämpfen. Endlich trat er zu mir und sprach: »Alles Gute belohnt sich, und Euch erwartet heute noch eine große Freude.«
    Ich sah ihn befremdet an.
    »Ihr habt den Cereus peruvianus vom Untergange gerettet,« fuhr er fort, »wenigstens hätte er leicht untergehen können, und Ihr seid Ursache gewesen, daß er in dieses Haus gekommen ist, und heute noch wird er blühen. Ich habe ihn durch Kalte zurück zu halten gesucht, selbst auf die Gefahr hin, daß er die Knospe abwerfe, damit er nicht eher blühe als heute. Es ist alles gut gegangen. Eine Knospe steht zum Entfalten bereit. In mehreren Minuten kann sie offen sein. Wenn die Gesellschaft dem Gewächshause die Ehre antun wollte....«
    »Ja, Simon, ja, wir gehen hin«, sagte mein Gastfreund.
    Sofort erhob man sich von dem Tische und rüstete sich zu dem Gange in die Gewächshäuser. Simon hatte alles andere um die Stelle des Peruvianus, der in ein eigenes Glashäuschen hinein ragte, entfernt und Platz zum Betrachten der Pflanze gemacht. Die Blume war, da wir hinkamen, bereits offen. Eine große, weiße, prachtvolle, fremdartige Blume. Alles war einstimmig im Lobe derselben.
    »So viele Menschen den Peruvianus haben,« sagte Simon, »denn gar selten ist er eben nicht, so mächtig groß sie auch seinen Stamm ziehen, so selten bringen sie ihn zur Blüte. Wenige Menschen in Europa haben diese weiße Blume gesehen. Jetzt öffnet sie sich, morgen mit Tagesanbruch ist sie hin. Sie ist kostbar mit ihrer Gegenwart. Mir ist es geglückt, sie blühen zu machen – und gerade heute. – Es ist ein

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