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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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er ihre Freiheit und Unbefangenheit nicht im geringsten beirren, sondern, um ihrem Herzen allen und jeden Raum zu geben, nahm er sich vor, nach Frankreich zu gehen, wo er ohnedies Vermögensgeschäfte zu ordnen hatte, und mich mitzunehmen. Ich sage Ihnen, es war der schönste Augenblick meines Lebens, da ich diesen herrlichen Menschen Abschied nehmend vor Aston stehen sah und ihn dringlich bitten hörte, er möge Angela lieben und schützen; er möge die besten und edelsten Männer in ihre Nähe führen, ob sie nicht einen wähle, der es verstände, ihres Herzens wert zu werden. Ich weinte; Aston tadelte ihn heftig, und da alles nichts half, so schlug er Sie vor. Emil billigte es, und wir reisten. Ich hatte sehr gezürnt, als wir zurückkamen und Angela in Schönbrunn alles erzählte – noch mehr zürnte ich aber, da ich Ihre Abreise und Heftigkeit erfuhr. – Alle waren wir gegen Sie, nur Emil nicht, und was auch wir alle – Angela war nieim Rate – was auch wir alle über Aufdringlichkeit und über Wegwerfung sagten: er dachte anders, und reiste Ihnen nach.« –
    »Wen sie so lange geachtet hat,« sagte er, »der verdient nicht, daß man ihn so behandle und ohne weiters wegwerfe.« Und so hat er Sie gesucht, so hat er Sie gefunden – und so ist er nun entschlossen, Ihnen sein Liebstes zu geben.
    »Nun aber verzeihen Sie, daß wir Sie so lange in Hallstadt aufgehalten haben; wir liebten Sie wohl schon früher, aber durch Ihre Eifersucht geschreckt, bat ich den Bruder, daß er mir erlaube, hieher zu kommen, damit ich doch auch mit eigenen Augen sähe, an wen er unsere Angela hingeben wolle. Ich las durch Emil Ihr Tagebuch, und dieses tilgte den letzten bösen Funken, der in mir war – wie Ihnen ja die heutige Unterredung zeigt. – Sie sind ein guter Mensch, das genügt mir: was Sie sonst sind, mag die Männer angehen. Das Tagebuch ist bereits an Angela abgesendet – zürnen Sie nicht,
ich
habe es so angeordnet; denn unter uns ist es Sitte, daß unbeschränkte Aufrichtigkeit herrscht. Emil ist der beste und stärkste Mensch. Er opferte freudig jeden Anspruch; er liebt Sie, und will das Glück seiner Schwester gründen. Noch dürfte es Ihnen zum Verständnis dienen, daß mein Bruder der Graf Lorrel ist; Morus, Grafen von Lorrel waren unsere Vorfahrer, aber wir sind nur die Kaufleute Morus. In Wien ist man ohne unser Zutun dahintergekommen. Es wird Ihnen jetzt auch ein gewisser Satz Ihres Tagebuchs verständlich sein. In gewissem Sinne war sie immer Emils Geliebte.«
    »Auch ihre Herkunft hat sich im vergangenen Sommer aufgeklärt, und Sie waren die eigentliche Veranlassung dazu. Sie ist die Zwillingsschwester der russischen Fürstin Fodor, der sie schon als Kind so ähnlich war, daß ihnen ihr Großvater kleine goldne Kreuzchen mit verschiedener Bezeichnung umhing, daß man sie unterscheiden könne. Die Fürstin wurde bei ihrem Großvater erzogen, dessen Liebling sie war, und dessen Erbin sie werden sollte; Angela aber, die, wie wir jetzt wissen, eigentlich Alexandra heißt, blieb bei den Eltern, und wurde auf jene unglückselige Reise mitgenommen, wo beide ein so trauriges Ende nahmen. Man hielt in Rußland Angela für tot, und erst im vergangenen Sommer, da die Fodor den Schauplatz des Mordes ihrer Eltern besuchte, ersah sie aus den dortigen gerichtlichen Angaben, daß und wo ihre Schwester lebe. Sie fuhr sofort nach Wien, und setzte ihre Gesandtschaft in Bewegung, um die verlorne Schwester aufzufinden. Ihre Erzählung auf jenem Balle bei Aston, daß Sie die Fürstin im Paradiesgarten gesehen, daß Lothar sie gemalt habe, daß sie ein goldnes Kreuzchen trage, wie Angela, und daß sie ihr so ähnlich sei, hat zwar nicht ausschließlich das Erkennen bewirkt, wohl aber die Annäherung. Die Schwestern sahen sich in Wien, und es war dies ein bittrer Tag für Angela. Die Fürstin forderte, daß Angela hinfort den Umgang mit diesen Menschen abbreche, unter denen sie sich bisher ›umtrieb‹; ›sie habe nicht weiter not, als aufgelesenes Findelkind bei derlei Menschen zu verbleiben, von Almosen zu leben, oder etwa gar von einem noch schnödern Lohne.‹ Angela richtete sich gegen diese Worte auf, und wies sie entschieden zurück, und da die Fürstin darauf beharrte, so weinte Angela wohl einige bittere Unmutstränen, aber entsagte, wie es in ihrer entschiedenen Natur liegt, lieber der neugefundenen Schwester, die solches forderte, als uns, die wir doch eigentlich die Verwandten ihres Herzens geworden sind. Sie wies

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