Werke
zarten Glieder waschen, und die Fische werden heimlich herumschießen, wie stumme Pfeile, hastig zupfen und sich um das Stückchen balgen, das einer erwischte – – ich werde indes suchen, und suchen, immer, immer – – und werde dann zum fürchterlichen Himmel heulen, daß die Sterne daran zittern; denn sie ist das Allerschönste auf der Erde, das Schönste zwischen Sonnen und Sternen, wie Narcissa war.«
Einen tiefen furchtsamen Blick warf er gegen Heinrich und sagte: »Ich werde öffnen; denn ich halte immer gesperrt.«
Und er drehte große Schlüssel in dem knarrenden Schlosse – aber es war lächerlich, zu schließen, wo nichts zu verschließen war; denn alle Mauern klafften, eine breite, sanfte Treppe führte zu Schutt, durch die Fenster wehte die Luft, kein Getäfel und Holz war mehr zu schauen, der Marmor der Gänge und Säle war erblindet, steinerne Stiegen hingen in der Luft, Mörtel rollte und rieselte allseits, ein buntes Lichterspiel flimmerte, und hellgrüne Pflanzen taumelten, wo ein Lüftchen zog oder ein Strahl hinküßte. Über eine jener hängenden, schief gesunknen Stiegen mußte das Mädchen zu dem hohen Balkone gelangt sein.
Nachdem sie über Kalkhügel und Steinhaufen gegangen, durch Breschen und Türlöcher gekrochen, ohne das mindeste Merkwürdige getroffen zu haben, verlangten sie hinaus, und der Greis führte sie durch ein anderes Tor, das er ebenfalls sorgsam hinter sich verschloß, in den Garten des Hauses. Es war ein langes Viereck, zu dessen beiden Seiten Mauerwerk lief, nicht hoch über dem Boden zwei lichte, freundliche Säulengänge führend. Von hinten war das Viereck durch einen mächtig großen Marmorfels geschlossen.
Wenn ein Wald oder Garten auch eine Ruine sein könnte, so wäre es dieser gewesen. Eingesunkne Gartenbeete, blecherne Blumentäfelchen mitten im Grase, eine fröhliche Wildnis von Unkraut, ein verdorrter Obstbaum, ein anderer ein bloßer Pflock mit zwei grünen Wasserschößlingen, ein dritter mit herrlicher Frucht, eine zwecklose späte Gabe – die Pfirsichzweige an der Wand, einst die Liebe und der Stolz des Herrn, hingen seitwärts, unangebunden, unfruchtbar, wie schlechte Weidenruten eine Ulme war emporgeschossen und streckte ihre Zweige lustig in den Säulengang hinein. Tausend Bienen und Käfer summten und arbeiteten in den üppigen Blüten des Unkrautes.
Mitten hindurch aber ging ein breiter, schöner Weg, als wäre täglich jemand darauf gewandelt, oder als wäre er gestern erst gemacht worden. Heinrich hatte auch bemerkt, daß in der Ruine von dem einen Tore bis zum andern über die Schutthügel ordentlich ein getretener Weg laufe. Sie gingen den Garten entlang. Wie sie immer näher kamen, so stieg ihnen der rote Fels stets größer entgegen, und Heinrich bemerkte endlich, daß in denselben eine hohe Pforte gehauen war, mit einem eisernen Tore verschlossen, daran eiserne Schlösser hingen, mit dem gräflichen und den Gerichtssiegeln versiegelt. Es war dieser Felsen der sogenannte rote Stein, in dem die Lebenserzählungen aufbewahrt waren, und dessen Bedeutung Heinrich von Robert aus den Gerichtspapieren erfahren hatte.
Seitwärts dem roten Steine war der Kirchhof des Schlosses. Ein anderes Tor, nicht massiv, nicht versiegelt, sondern ein hohes, breites Eisengitter, führte hinein. Es war auch ein Garten, aber statt der Blümlein war nur ein dunkler hingehender Rasen, statt des Obeliskes ein weißes Kruzifix in Mitte von vier Linden, und statt des Gartenhauses eine Kapelle, von den Eichen überschattet, die draußen in dem Walde des Julian standen.
»Die Bücher, so in dem Gewölbe dieses roten Steines sind,« sagte Ruprecht, »reden nur zu den Leuten, die aus dem Blute unsrer Grafen stammen, und jeder Tropfen ist aufgeschrieben, der seit siebenhundert Jahren aus einem ihrer Herzen rann, und keiner darf die Schrift lesen, der nicht ein Kind desselben Geschlechtes ist. Ihr seht, daß die Tore des Steines versiegelt sind, Ihr könnt nicht hinein, aber zu dem andern habe ich die Schlüssel.«
Und er schloß das Gitter auf und führte sie durch eine heitere Allee von Linden auf den Kirchhof. Es war der stillste Ort, den Heinrich noch auf dem Berge gesehen hatte, fast zum Frieden und Schlummer ladend; denn von drei Seiten war er durch den Eichenwald des Julian umgeben, so daß beinahe kein Lüftchen, ja kein Ton von außen zu dieser Insel dringen konnte: von der vierten Seite stand das alte Schloß und die Lindenallee, grau und grün gemischt –
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