Werke
das fremdartige Uhrwerk zu berühren, daß es nicht noch grellere Töne gebe und uns an dem eigenen irre mache. Auch verlangte der Alte kein Zeichen, weil er sich selbst Rede und Antwort gab. Mit haushälterischer Geschäftigkeit führte er ihn von Faß zu Faß, zeigte die Neunziger, die Eilfer, den vom Rhein, die Ausländer, die Spanier, die Portugiesen – er zeigte ihm die Vorrichtungen, mit denen er nachfülle, die Fässer rein halte, die Luft wechsle – – in allem diesen zeigte sich die bewundernswerteste Zweckmäßigkeit. Er wurde immer vergnügter, und da er die wirklich erstaunliche Reihe von Fässern gezeigt hatte, näherte er sich vertraulich dem Ohre Heinrichs und sagte heimlich: »Das ist der neue Syndikus der schwarzen Stadt; sagt ihm kein Wort von dem vielen mächtigen Weine; denn sie versiegeln alles, bis Graf Christoph kommt; aber der kommt nicht mehr, und ist tot und im Mohrenlande begraben auch Steuer und Abgaben gehen immer ein und werden im Rathause der schwarzen Stadt aufgehoben. Geht nur gleich, wie ich schon gesagt, in die grüne Stabe, wo sie schon alle warten.«
»Wird aber nicht Pia Schaden nehmen, wenn wir so lange weg bleiben«, sagte Heinrich versuchsweise.
»Wer!?« entgegnete der Alte mit allen Zeichen des höchsten Erstaunens, indem er seinem jungen Begleiter mit der Laterne ins Gesicht leuchtete. Sein Geist hatte in Jahren geschwebt, wo Pia nicht war, und der Geier, der an seinem Gehirne fraß, das Mißtrauen an sich selbst, stand auf und schlug ihm die düstern Flügel um das Haupt. Er ging hastig und verstummt den Gang zurück, löschte das Licht aus, verbarg mit größtem Scharfsinne die Laterne, führte Heinrich in tiefster Dunkelheit wieder Trepp auf, Trepp ab, Gang aus, Gang ein, und sie standen endlich plötzlich bei Robert, der an einem Fenster ihrer geharrt hatte. Ruprecht war jetzt wieder ohne ein einziges Wort. Er schritt über einen Vorsaal, schloß auf und öffnete, sich anstemmend, die eingerosteten Türflügel zu den Gemächern. Eine Reihe von Zimmern empfing sie mit schwerer, verblichener Pracht; altertümliche, geschnitzte Geräte, wunderliche Tapeten, teils noch ganz, teils durch Moder und eigene Schwere zerrissen, Zeltbetten, Putztische, Sesselreihen, alles von altväterischem Prunke, kunstreich und doch fest gearbeitet, alles bedeckt mit Massen von Staub und Spinnenweben, und ein trübes Licht fiel durch die blinden Scheiben von dem einsamen, funkelnden Tage draußen herein.
Mit den schwermütigen Gefühlen menschlicher Nichtigkeit und Vergänglichkeit wandelten die Freunde durch diese Stätten versunkenen Glückes und Elendes, und Heinrichs Herz war tief und ahnungsvoll erregt. Er mußte sich einige Male die Hand über seine Augen legen, um sich zu sagen, wo er sei, und um dem andern sein Inneres zu verbergen.
So hatten sie mehrere Zimmerreihen durchwandelt, einst zu dem verschiedensten Gebrauche bestimmt, von der Öde des Prunksaales an bis zur Heimlichkeit des einstigen Schlafgemaches. Der Alte war ohne viele Teilnahme hinter ihnen gewandelt, aber da die Zimmer zu Ende waren und sie wieder in einen Vorsaal gelangten, bog er plötzlich um eine Ecke, riß mit sichtlicher Hast und Freude zwei riesengroße Flügel auf – und ein zauberischer Anblick schlug den Freunden entgegen: es war der grüne Saal; mit dem feinsten, dunkelsten Serpentine waren die Wände bekleidet, riesengroße Fenster, von unten gegen oben zum Teile mit grauer Seide gedeckt, rissen sich gegen den glänzenden Himmel auf, und ihr Glas war glatt und spiegelhaft, als hätte man es in diesem Augenblicke gesetzt – der Grund aber war, weil es der Alte immer putzte. – – Und in der Lichtflut dieser Fenster stand, in die dunkle Ebene des Serpentins gerahmt, eine ganze Reihe der herrlichsten Bilder: es waren sämtliche Scharnast, Männer, Frauen und Kinder, von Haupt-und Seitenlinien – und wie der erste Blick zeigte, von den besten Meistern gemalt. Man sah selbst Rubens' und van Dycks Pinsel, die besten Deutschen und sogar den Spanier Murillo. Heinrich war erstaunt, ja er war betäubt über diese Herrlichkeit. – Da funkelte die Sonne in wundervollem Schmelze auf jener Rüstung, jenem Goldgehänge, jenen Vasen und Geschirren schwer und massenhaft, als müßte ihre Wucht von dem Bilde niederbrechen, – auf dem weichen Goldhaare der Frauen, auf jenem Antlitze, in dem lieblichen Auge, auf dem Munde, der eben nur gesprochen haben muß, auf der Hand, die auf dem Marmortische ruhte oder den
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