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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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und von oben war die tiefe Bläue des Himmels und das niederfließende Gold der Sonne. Auch war jene wimmelnde Bevölkerung von Kreuzen und Zeichen nicht da, womit sonst so gerne die Erhabenheit eines Totengartens zerstört wird, und womit der Mensch seine armen Flitter auch in dieses ernste Reich hinüber trägt, sondern auf dem gleichen Rasen waren nur einige unbedeutende Merkmale, die Ruhestelle treuer Diener des Hauses bezeichnend, und in der Mitte stand ein hohes Kreuz von weißem Marmor, als Zeichen des allgemeinen Friedens und der allgemeinen Gleichheit. Viele Mitglieder des Geschlechtes ruhten ohne Grabmerkmal, wie sie es verordnet, unter der allgemeinen einfachen Decke des Rasens; andere aber lagen mit Wappen, Zeichen, Zierden und Prunk in der weitläufigen Gruft unter der Kapelle. Heinrich und Robert stiegen in diese Gruft hinunter; Ruprecht, der sie ihnen aufgeschlossen hatte, blieb oben auf einem Marmorwürfel sitzen, der aussah wie ein unfertiger Grabstein. Die Gruft hatte nichts anderes, als eben Grüfte zu haben pflegen: Sarge, Wappen, Vergänglichkeit – alles bedeckt mit Pomp und Moder, nur ein einziger Sarg stand da, ganz einfach von Eichenholz gezimmert ohne das geringste Zeichen, ja sogar ohne Namen. Sie stiegen nach einiger Betrachtung wieder hinauf, und wie sie aus dem dunklen Tore der Kapelle ins Freie traten, hörten sie ein plötzliches Rauschen, und sahen noch das Wegflattern des Gewandes und den Sprung des Hundes. Das wilde, scheue Kind, Pia, war in ihrer Abwesenheit bei Ruprecht gewesen und hatte bei ihrer Ankunft die Flucht ergriffen; sie sahen nur noch, wie sie hinter einen Holunderbusch, der an der Kirchhofmauer stand, verschwand, aber dort stehen blieb, und durch eine Öffnung ihr schönes Gesichtchen herausbog und halb dreist und halb geschreckt mit den übernatürlich glänzenden, schwarzen Augen die Fremden anstarrte er wie sich Robert nurregte, so zuckte sie weg, und wurde erst viel später wieder gesehen, wie sie mit Hüon auf einer roten Felskuppe stand. Von da an sah man sie bis gegen Abend nicht wieder. Heinrich konnte sich eines unheimlichen Gedankens nicht erwehren, wenn er sich diese zwei Wesen als die einzigen Bewohner des Berges dachte; den märchenhaft alten, blödsinnigen Mann und das verwahrloste, zartgliedrige Wesen, das in seiner Gesellschaft zu einem Wüstenvogel aufwachsen muß, der entsetzt aufflattert, wenn ihm die schöne Bildung eines Menschenantlitzes sichtbar wird.
    »Sie ist stille und gut,« sagte Ruprecht, nachdem er die Kirchtüre gesperrt und den Schlüssel wieder zu den andern genestelt hatte, »sie saß die ganze Zeit, als Ihr in dem Gewölbe unten waret, hier auf dem weißen Steine und atmete ihr Laufen aus, und von dem Händchen quoll in Blutstropfen, weil Ihr sie an den alten Mauern so erschreckt habt, und sie fragte, wer Ihr seid, und warum ich Euch denn nicht erschlüge, wie den Wolf, der auch im Winter in die Fichtenallee gekommen ist und mit Hüon spielen wollte. – – Sie wußte nicht, auf welchem traurigen Steine sie saß und die Worte von den Menschen und Wölfen redete. – – Sehet, dieses Ding da sollte, als er ihren Tod erfuhr, nach dem Vorbilde gemeißelt werden, worunter Chelion liegt; aber als Ihr das große Pergament brachtet, Herr Syndikus, und von seinem Begräbnisse erzähltet, da raffte der Werkmeister den Hammer und Meißel zusammen und ging fort, daß nun der eichene Sarg ohne Namen unten stehen muß, und der Grabstein ohne Bedeutung hier oben liegen. Auch der Konterfeier ging fort und ließ die schönen, grünen, seidnen Vorhänge hängen – und sie hängen noch dort; denn das Grüne hat er sehr geliebt – – und Ihr müsset sie beide züchtigen, Erlaucht, die ungetreuen Knechte. Ach alles, alles ist nicht fertig geworden.«
    »Lasse uns um Gottes willen das andere schnell abtun, mir wird es unheimlich in der Gegenwart dieses alten Mannes«, flüsterte Heinrich seinem Begleiter zu.
    »Lasse ihn nur,« versetzte dieser, »er ist ja übrigens ganz harmlos.«
    »Ich werde Euch nun zum glatten Hause führen«, sagte Ruprecht, »und die Klausur der Frau Hermenegild aufschließen; aber es sind jetzt die Bienen drin – sie tun nichts und sind nicht wild; denn ich habe ihnen nie Honig genommen, sie tragen viel aus den Linden der Gräber herüber, und der ist süß und duftig – – ich werde Euch auch den Wein zeigen – folgt mir nur«
    Und er führte sie durch den Eichenwald dem sogenannten Sixtusbaue entgegen. Sie betraten

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