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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Schuhen ungeachtet.
    Lelio
. Und doch haben wir uns hundertmal mit einander gemessen, und nicht den geringsten Unterschied wahrnehmen können.
    Wumshäter
. Mein Augenmaß trügt nicht, ich kann mich darauf verlassen. Vors andere, ist Herr Lelio auch nicht völlig so stark; er ist besser gewachsen und schlanker, ob er gleich keine Schnierbrust trägt. Ich will Sie dadurch nicht beleidigen, Madmoisell; sondern Ihrem Bruder bloß Gerechtigkeit widerfahren lassen.
    Laura
. Ich kann Ihrer Meinung nicht sein, Herr Vater. Es ist zwar wahr, man wird schwerlich an einer Mannsperson einen schönern Wuchs finden, als an dem Herrn Lelio; aber sehen Sie doch nur recht! Hilaria hat vollkommen eben denselben Wuchs, nur daß sie durch den Zwang der Kleidung eher schmächtiger, als stärker scheinet.
    Wumshäter
. Und das Gesicht!
    Valer
. Nun? das Gesicht?
    Wumshäter
. Ich will davon gar nicht reden. Lelio hat seine frische natürliche Farbe, aber auf Ihrem Gesichte, Madmoisell, liegt die Schminke ja Fingers dicke.
    Lelio
. Ich glaube zwar nicht, daß es etwas Unerlaubtes für ein Frauenzimmer sei, sich zu schminken; aber doch habe ich noch nie für gut befunden, meiner Bildung auf diese Art zu Hülfe zu kommen. Ich will dieses nicht zu meinem Lobe gesagt haben; denn vielleicht habe ich das, was andere aus Stolz tun, aus größerm Stolze unterlassen.
    Wumshäter
. Ich versteh, ich versteh – Die Augen, mein Sohn! Hast du noch nicht bemerkt, daß dieses graue Augen sind, und Lelio schwarze Augen hat?
    Valer
. Was sagen Sie? Sind dieses graue Augen?
    Wumshäter
. Ja wohl graue Augen, und dabei sind sie eben so matt, als des Lelio Augen feurig sind.
    Laura
. Je, Herr Vater –
    Wumshäter
. Je, Jungfer Tochter! Schweig Sie doch! Ich weiß so wohl, daß keine Krähe der andern die Augen aushacken wird. Du willst gewiß, daß sie deine gelben Augen auch einmal schwarz nennen soll. Macht ihr mich nur blind! – Und diese Nase – So eine kleine stumpfe Habichtsnase, hat Lelio nicht. Wollt ihr das auch leugnen?
    Valer
. Ich erstaune! –
    Wumshäter
. Über deine Verblendung mußt du erstaunen – Auch der Mund ist noch einmal so groß, als ihn Lelio hat. Was für eine aufgeworfene Lippe! Was für ein spitziges Kinn! Die rechte Schulter ist eine Hand breit höher, als die linke! – Mit einem Worte, mein Sohn, die vorgegebene Gleichheit war eine List, dem Vater seine Einwilligung abzulocken. Und freilich wäre sie ein großer Punkt wider mich gewesen, wenn sie sich gefunden hätte. Desto besser, daß sie sich nicht gefunden hat, und daß es nunmehr desto wahrscheinlicher bleibt, daß in einem Körper, der von dem Körper des Bruders so gar sehr unterschieden ist, auch eine ganz verschiedene Seele wohnen werde. Ihr Herr Bruder, Mademoisell, ist ein verständiger junger Mensch, der meine Ursachen, warum ich unmöglich zu der Verheiratung meines Sohnes Ja sagen kann, weiß und billiget. Er wird mich also bestens entschuldigen, daß ich mit Ihnen so wenig Umstände mache. Ich kann mich jetzt nicht länger aufhalten, sondern muß sorgen, daß ich mit Leandern je eher je lieber richtig werde. Du, Laura, halte dich gefaßt! Ich kann dir sie nunmehr nicht mitgeben, Valer; ich kann hier meinen Prozeß mit ihr gewinnen, und das geht vor.
    Laura
. Laß dich nicht irre machen, Bruder, ich reise gewiß mit. Ihr Prozeß ist verloren, wenn Sie ihn durch mich gewinnen sollen.
    Wumshäter
. Spare dein Widersprechen für deinen Mann. Geht ab.
    { ‡ }
Fünfter Auftritt
    Lelio. Valer. Laura. Lisette.
    Laura
. Wir müssen uns schämen, Bruder, daß ein so liebenswürdiger Gast von unserm Vater so übel aufgenommen worden. Du mußt übrigens der Liebe deiner Hilaria sehr gewiß sein, daß du ihre Geduld auf diese empfindliche Probe zu stellen, hast wagen dürfen.
    Lelio
. Sie haben eine sehr gütige Schwester, Valer. Ihre Höflichkeit würde mich verwirren, wenn ich nicht wüßte, in welcher Achtung mein Bruder bei ihr zu stehen das Glück habe. Er gefällt Ihnen, zärtliche Laura, und diese Eroberung war das erste, was er mir bei meiner Ankunft mit einer triumphierenden Miene erzählte. Er ist es auch in der Tat schon wert, daß ein Frauenzimmer um ihn seufzet. Aber nehmen Sie sich gleichwohl in Acht; er ist ein kleiner Verräter, und macht sich nicht das geringste Bedenken, eine Untreue zu begehen. Wenn Sie ihn nicht recht fest zu halten wissen, so wird er aus dem Garne sein, ehe Sie sich es versehen. Er ist ruhmredig dabei, und ich stehe Ihnen nicht

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