Werke
unverschämte böse Lüge. Sie könnte mir auf dem Todbette wieder einfallen, und ich alter Bösewicht müßte in Verzweiflung sterben. – Nein, Sarchen hat ihren Vater geliebt, und gewiß! gewiß! sie liebt ihn noch. Wenn Sie nur davon überzeugt sein wollen, Sir, so sehe ich sie heute noch wieder in Ihren Armen.
Sir William
. Ja, Waitwell, nur davon verlange ich überzeugt zu sein. Ich kann sie länger nicht entbehren; sie ist die Stütze meines Alters, und wenn sie nicht den traurigen Rest meines Lebens versüßen hilft, wer soll es denn tun? Wenn sie mich noch liebt, so ist ihr Fehler vergessen. Es war der Fehler eines zärtlichen Mädchens, und ihre Flucht war die Wirkung ihrer Reue. Solche Vergehungen sind besser, als erzwungene Tugenden – Doch ich fühle es, Waitwell, ich fühle es; wenn diese Vergehungen auch wahre Verbrechen, wenn es auch vorsätzliche Laster wären: ach! ich würde ihr doch vergeben. Ich würde doch lieber von einer lasterhaften Tochter, als von keiner, geliebt sein wollen.
Waitwell
. Trocknen Sie Ihre Tränen ab, lieber Sir! Ich höre jemanden kommen. Es wird der Wirt sein, uns zu empfangen.
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Zweiter Auftritt
Der Wirt. Sir William Sampson. Waitwell.
Der Wirt
. So früh, meine Herren, so früh? Willkommen! willkommen Waitwell! Ihr seid ohne Zweifel die Nacht gefahren? Ist das der Herr, von dem du gestern mit mir gesprochen hast?
Waitwell
. Ja, er ist es, und ich hoffe, daß du abgeredeter Maßen – –
Der Wirt
. Gnädiger Herr, ich bin ganz zu Ihren Diensten. Was liegt mir daran, ob ich es weiß, oder nicht, was Sie für eine Ursache hierher führt, und warum Sie bei mir im Verborgnen sein wollen? Ein Wirt nimmt sein Geld, und läßt seine Gäste machen, was ihnen gut dünkt. Waitwell hat mir zwar gesagt, daß Sie den fremden Herrn, der sich seit einigen Wochen mit seinem jungen Weibchen bei mir aufhält, ein wenig beobachten wollen. Aber ich hoffe, daß Sie ihm keinen Verdruß verursachen werden. Sie würden mein Haus in einen übeln Ruf bringen, und gewisse Leute würden sich scheuen, bei mir abzutreten. Unser einer muß von allen Sorten Menschen leben. – –
Sir William
. Besorget nichts; führt mich nur in das Zimmer, das Waitwell für mich bestellt hat. Ich komme aus rechtschaffnen Absichten hierher.
Der Wirt
. Ich mag Ihre Geheimnisse nicht wissen, gnädiger Herr! Die Neugierde ist mein Fehler gar nicht. Ich hätte es, zum Exempel, längst erfahren können, wer der fremde Herr ist, auf den Sie Acht geben wollen; aber ich mag nicht. So viel habe ich wohl herausgebracht, daß er mit dem Frauenzimmer muß durchgegangen sein. Das gute Weibchen, oder was sie ist! sie bleibt den ganzen Tag in ihrer Stube eingeschlossen und weint.
Sir William
. Und weint?
Der Wirt
. Ja, und weint – – Aber, gnädiger Herr, warum weinen Sie? Das Frauenzimmer muß Ihnen sehr nahe gehen. Sie sind doch wohl nicht – –
Waitwell
. Halt ihn nicht länger auf.
Der Wirt
. Kommen Sie. Nur eine Wand wird Sie von dem Frauenzimmer trennen, das Ihnen so nahe geht, und die vielleicht – –
Waitwell
. Du willst es also mit aller Gewalt wissen, wer – –
Der Wirt
. Nein, Waitwell, ich mag nichts wissen.
Waitwell
. Nun so mache, und bringe uns an den gehörigen Ort, ehe noch das ganze Haus wach wird.
Der Wirt
. Wollen Sie mir also folgen, gnädiger Herr? Geht ab.
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Dritter Auftritt
Der mittlere Vorhang wird aufgezogen. Mellefonts Zimmer.
Mellefont und hernach sein Bedienter.
Mellefont
unangekleidet in einem Lehnstuhle. Wieder eine Nacht, die ich auf der Folter nicht grausamer hätte zubringen können! – Norton! – Ich muß nur machen, daß ich Gesichter zu sehen bekomme. Bliebe ich mit meinen Gedanken länger allein: sie möchten mich zu weit führen. – He, Norton! Er schläft noch. Aber bin ich nicht grausam, daß ich den armen Teufel nicht schlafen lasse? Wie glücklich ist er! – Doch ich will nicht, daß ein Mensch um mich glücklich sei. – Norton!
Norton
kommend. Mein Herr!
Mellefont
. Kleide mich an! – O mache mir keine sauern Gesichter! Wenn ich werde länger schlafen können, so erlaube ich dir, daß du auch länger schlafen darfst. Wenn du von deiner Schuldigkeit nichts wissen willst, so habe wenigstens Mitleiden mit mir.
Norton
. Mitleiden, mein Herr? Mitleiden mit Ihnen? Ich weiß besser, wo das Mitleiden hingehört.
Mellefont
. Und wohin denn?
Norton
. Ah, lassen Sie sich ankleiden, und fragen Sie mich nichts.
Mellefont
. Henker! So sollen auch
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