Werke
eingeschifft sein. Vielleicht, daß ihr der Kummer nicht ganz über das Meer folgt; daß sie einen Teil desselben zurückläßt, und in einem andern Lande – –
Mellefont
. Alles das hoffe ich selbst – Still, sie kömmt. Wie schlägt mir das Herz – –
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Sechster Auftritt
Sara. Mellefont. Norton.
Mellefont
indem er ihr entgegen geht. Sie haben eine unruhige Nacht gehabt, liebste Miß – –
Sara
. Ach, Mellefont, wenn es nichts als eine unruhige Nacht wäre – –
Mellefont
zum Bedienten. Verlaß uns!
Norton
im Abgehen. Ich wollte auch nicht da bleiben, und wenn mir gleich jeder Augenblick mit Golde bezahlt würde.
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Siebenter Auftritt
Sara. Mellefont.
Mellefont
. Sie sind schwach, liebste Miß. Sie müssen sich setzen.
Sara
sie setzt sich. Ich beunruhige Sie sehr früh; und werden Sie mir es vergeben, daß ich meine Klagen wieder mit dem Morgen anfange?
Mellefont
. Teuerste Miß, Sie wollen sagen, daß Sie mir es nicht vergeben können, weil schon wieder ein Morgen erschienen ist, ohne daß ich Ihren Klagen ein Ende gemacht habe.
Sara
. Was sollte ich Ihnen nicht vergeben? Sie wissen, was ich Ihnen bereits vergeben habe. Aber die neunte Woche, Mellefont, die neunte Woche fängt heut an, und dieses elende Haus sieht mich noch immer auf eben dem Fuße, als den ersten Tag.
Mellefont
. So zweifeln Sie an meiner Liebe?
Sara
. Ich, an Ihrer Liebe zweifeln? Nein, ich fühle mein Unglück zu sehr, zu sehr, als daß ich mir selbst diese letzte einzige Versüßung desselben rauben sollte.
Mellefont
. Wie kann also meine Miß über die Verschiebung einer Zeremonie unruhig sein?
Sara
. Ach, Mellefont, warum muß ich einen andern Begriff von dieser Zeremonie haben? – Geben Sie doch immer der weiblichen Denkungsart etwas nach. Ich stelle mir vor, daß eine nähere Einwilligung des Himmels darin liegt. Umsonst habe ich es, nur wieder erst den gestrigen langen Abend, versucht, Ihre Begriffe anzunehmen, und die Zweifel aus meiner Brust zu verbannen, die Sie, itzt nicht das erstemal, für Früchte meines Mißtrauens angesehen haben. Ich stritt mit mir selbst; ich war sinnreich genug, meinen Verstand zu betäuben; aber mein Herz und ein inneres Gefühl warfen auf einmal das mühsame Gebäude von Schlüssen übern Haufen. Mitten aus dem Schlafe weckten mich strafende Stimmen, mit welchen sich meine Phantasie, mich zu quälen, verband. Was für Bilder, was für schreckliche Bilder schwärmten um mich herum! Ich wollte sie gern für Träume halten – –
Mellefont
. Wie? meine vernünftige Sara sollte sie für etwas mehr halten? Träume, liebste Miß, Träume! – Wie unglücklich ist der Mensch! Fand sein Schöpfer in dem Reiche der Wirklichkeiten nicht Qualen für ihn genug? Mußte er, sie zu vermehren, auch ein noch weiteres Reich von Einbildungen in ihm schaffen?
Sara
. Klagen Sie den Himmel nicht an! Er hat die Einbildungen in unserer Gewalt gelassen. Sie richten sich nach unsern Taten, und wenn diese unsern Pflichten und der Tugend gemäß sind, so dienen die sie begleitenden Einbildungen zur Vermehrung unserer Ruhe und unseres Vergnügens. Eine einzige Handlung, Mellefont, ein einziger Segen, der von einem Friedensboten im Namen der ewigen Güte auf uns gelegt wird, kann meine zerrüttete Phantasie wieder heilen. Stehen Sie noch an, mir zu Liebe dasjenige einige Tage eher zu tun, was Sie doch einmal tun werden? Erbarmen Sie sich meiner, und überlegen Sie, daß wenn Sie mich auch dadurch nur von Qualen der Einbildung befreien, diese eingebildete Qualen doch Qualen, und für die, die sie empfindet, wirkliche Qualen sind. – Ach, könnte ich Ihnen nur halb so lebhaft die Schrecken meiner vorigen Nacht erzählen, als ich sie gegefühlt habe! – Von Weinen und Klagen, meinen einzigen Beschäftigungen, ermüdet, sank ich mit halb geschlossenen Augenlidern auf das Bett zurück. Die Natur wollte sich einen Augenblick erholen, neue Tränen zu sammeln. Aber noch schlief ich nicht ganz, als ich mich auf einmal an dem schroffsten Teile des schrecklichsten Felsen sahe. Sie gingen vor mir her, und ich folgte Ihnen mit schwankenden ängstlichen Schritten, die dann und wann ein Blick stärkte, welchen Sie auf mich zurückwarfen. Schnell hörte ich hinter mir ein freundliches Rufen, welches mir still zu stehen befahl. Es war der Ton meines Vaters – Ich Elende! kann ich denn nichts von ihm vergessen? Ach! wo ihm sein Gedächtnis eben so grausame Dienste leistet; wo er auch mich nicht vergessen kann!
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