Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
63ste Stück besagter Beiträge, – und bin wie vernichtet!
    Das hat der nämliche Mann geschrieben? Wie soll die Nachwelt, auf welche die freiwilligen Beiträge doch ganz gewiß kommen werden, einen so plötzlichen Sprung von Weiß auf Schwarz sich erklären? – »Goeze, wird die Nachwelt sagen, Goeze wäre der Mann gewesen, der in Einem Atem gegen einen und eben denselben Schriftsteller sauersüße Komplimente zwischen den Zähnen murmeln, und aus vollem Halse laute Verleumdungen ausstoßen können? Er hätte zugleich die Katze und den Eber gespielt? Die Katze, die um den heißen Brei gehet; und den Eber, der blind auf den Spieß rennet? Das ist unglaublich! In dem 55sten Stücke ist sein Eifer noch so gemäßiget, noch so ganz anonymisch; er nennet weder Sack noch Esel, auf die sein Stecken zuschlägt: und auf einmal im 61sten Stücke ist Lessing namentlich hinten und vorne; muß Lessing namentlich geknippen werden, so oft er den Krampf in seine orthodoxen Finger bekömmt? Dort will er das Wasser kaum regen: und hier, Plumps! Das ist unbegreiflich! Notwendig müssen also zwischen dem 55sten und 61sten Stücke dieser kostbaren Blätter, wie wir sie itzt haben, alle diejenigen verloren gegangen sein, die uns dieses Plumps! erklären würden.«
    So wird die Nachwelt sagen, Herr Pastor. Doch was kümmert Uns die Nachwelt, Herr Pastor, die vielleicht auch so nicht sagen wird? Genug, Sie wissen selbst am besten, wie sehr sich die Nachwelt irren würde; und ich berühre diese Saite bloß, um es bei der itztlebenden Welt, – versteht sich, der Welt, die wir Beide füllen – zu entschuldigen, Falls auch mein Ton, den ich mir künftig mit dem Hrn. Pastor Goeze erlauben dürfte, ihr von dem allzuviel abzuweichen scheinen sollte, den ich noch bisher anzugeben, für schicklicher gehalten.
    Denn wahrlich, Herr Pastor, der zudringlichen Griffe, mit welchen Sie an mich setzen, werden allmählig zu viel! Erwarten Sie nicht, daß ich sie Ihnen alle vorrechne: es würde Sie kitzeln, wenn Sie sähen, daß ich alle gefühlt habe. Ich will Ihnen nur sagen, was daraus kommen wird.
    Ich will schlechterdings von Ihnen nicht als der Mann verschrien werden, der es mit der Lutherischen Kirche weniger gut meinet, als Sie. Denn ich bin mir bewußt, daß ich es weit besser mit ihr meine, als der, welcher uns jede zärtliche Empfindung für sein einträgliches Pastorat, oder dergleichen, lieber für heiligen Eifer um die Sache Gottes einschwatzen möchte.
    Sie, Herr Pastor, Sie hätten den allergeringsten Funken Lutherischen Geistes? – Sie? der Sie auch nicht einmal Luthers Schulsystem zu übersehen im Stande sind? – Sie? der Sie, mit stillschweigendem Beifall, von ungewaschenen, auch wohl treulosen Händen die Seite des Lutherischen Gebäudes, die ein wenig gesunken war, weit über den Wasserpaß hinaus schrauben lassen? – Sie? der Sie den ehrlichen Mann, der freilich ungebeten, aber doch aufrichtig, den Männern bei der Schraube zuruft: schraubt dort nicht weiter! damit das Gebäude nicht hier stürze! – der Sie diesen ehrlichen Mann mit Steinen verfolgen?
    Und warum? – Weil dieser ehrliche Mann zugleich den schriftlich gegebenen Rat eines ungenannten Baumeisters, das Gebäude lieber ganz abzutragen, – gebilliget? unterstützt? ausführen wollen? auszuführen angefangen? – Nicht doch! – nur nicht unterschlagen zu dürfen, geglaubt.
    O sancta simplicitas! – Aber noch bin ich nicht da, Herr Pastor, wo der gute Mann, der dieses ausrief, nur noch dieses ausrufen konnte. – Erst soll uns hören, erst soll über uns urteilen, wer hören und urteilen kann und will!
    O daß Er es könnte, Er, den ich am liebsten zu meinem Richter haben möchte! – Luther, du! – Großer, verkannter Mann! Und von niemanden mehr verkannt, als von den kurzsichtigen Starrköpfen, die, deine Pantoffeln in der Hand, den von dir gebahnten Weg, schreiend aber gleichgültig daher schlendern! – Du hast uns von dem Joche der Tradition erlöset: wer erlöset uns von dem unerträglichern Joche des Buchstabens! Wer bringt uns endlich ein Christentum, wie du es itzt lehren würdest; wie es Christus selbst lehren würde! Wer – –
    Aber ich vergesse mich; und würde noch mehr Sie vergessen, Herr Pastor, wenn ich, auf eine dergleichen Äußerung, Ihnen vertraulich zuspräche: »Herr Pastor, bis dahin, was weder Sie noch ich erleben werden; bis dahin, was aber gewiß kömmt, gewiß! gewiß! – wäre es nicht besser, unsers Gleichen schwiegen? unsers

Weitere Kostenlose Bücher