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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Oder hier vielmehr, Nachbar; hier! – Wo denkt ihr beide hin? Er brennt hier! – Was hätt es für Not, wenn er da brennte? Aber er brennt gewiß hier! – Lösch ihn hier, wer da will. Ich lösch ihn hier nicht. – Und ich hier nicht! – Und ich hier nicht! –
    Über diese geschäftigen Zänker hätte er denn auch wirklich abbrennen können, der Palast; wenn er gebrannt hätte. – Aber die erschrocknen Wächter hatten ein Nordlicht für eine Feuersbrunst gehalten.
Die Bitte
    Ein andres ist ein Pastor: ein andres ein Bibliothekar. So verschieden klingen ihre Benennungen nicht: als verschieden ihre Pflichten und Obliegenheiten sind.
    Überhaupt denke ich, der Pastor und Bibliothekar verhalten sich gegen einander, wie der Schäfer und der Kräuterkenner.
    Der Kräuterkenner durchirret Berg und Tal, durchspähet Wald und Wiese, um ein Kräutchen aufzufinden, dem Linneus noch keinen Namen gegeben hat. Wie herzlich freuet er sich, wenn er eines findet! Wie unbekümmert ist er, ob dieses neue Kräutchen giftig ist, oder nicht! Er denkt, wenn Gifte auch nicht nützlich sind – (und wer sagt es denn, daß sie nicht nützlich wären?) – so ist es doch nützlich, daß die Gifte bekannt sind.
    Aber der Schäfer kennt nur die Kräuter seiner Flur; und schätzt und pflegt nur diejenigen Kräuter, die seinen Schafen die angenehmsten und zuträglichsten sind.
    So auch wir, ehrwürdiger Mann! – Ich bin Aufseher von Bücherschätzen; und möchte nicht gern der Hund sein, der das Heu bewacht: ob ich schon freilich auch nicht der Stallknecht sein mag, der jedem hungrigen Pferde das Heu in die Raufe trägt. Wenn ich nun unter den mir anvertrauten Schätzen etwas finde, von dem ich glaube, daß es nicht bekannt ist: so zeige ich es an. Vors erste in unsern Katalogen; und dann nach und nach, so wie ich lerne, daß es diese oder jene Lücke füllen, dieses oder jenes berichtigen hilft, auch öffentlich: und ich bin ganz gleichgültig dabei, ob es dieser für wichtig, oder jener für unwichtig erkläret, ob es dem einen frommet, oder dem andern schadet. Nützlich und verderblich, sind eben so relative Begriffe, als groß und klein.
    Sie hingegen, ehrwürdiger Mann, würdigen alle literarische Schätze nur nach dem Einflusse, den sie auf Ihre Gemeinde haben können, und wollen lieber zu besorglich als zu fahrlässig sein. Was geht es Sie an, ob etwas bekannt, oder nicht bekannt ist? wenn es nur Einen auch von den Kleinsten ärgern könnte, die Ihrer geistlichen Aufsicht anvertrauet sind.
    Recht gut! Ich lobe Sie darum, Ehrwürdiger Mann. Aber weil ich Sie lobe, daß Sie Ihre Pflicht tun: so schelten Sie mich nicht, daß ich die meinige tue; – oder, welches einerlei ist, zu tun glaube.
    Sie würden vor Ihrer Todesstunde zittern, wenn Sie an der Bekanntmachung der bewußten Fragmente den geringsten Anteil hätten. – Ich werde vielleicht in meiner Todesstunde zittern; aber vor meiner Todesstunde werde ich nie zittern. Am allerwenigsten deswegen, daß ich getan habe, was verständige Christen itzt wünschen, daß es die alten Bibliothekare zu Alexandria, zu Cäsarea, zu Constantinopel, mit den Schriften des Celsus, des Fronto, des Porphyrius, wenn sie es hätten tun können, möchten getan haben. Um die Schriften des letztern, sagt ein Mann, der sich auf solche Dinge verstehet, gäbe itzt mancher Freund der Religion gern einen frommen Kirchenvater hin.
    Und ich hoffe ja nicht, Ehrwürdiger Mann, daß Sie sagen werden: »jene alten Feinde der Religion hätten es allerdings verdient, daß ihre Schriften sorgfältiger wären aufbehalten worden. Aber wozu der Neuern ihre aufbewahren, die nach siebzehnhundert Jahren doch nichts Neues sagen könnten?«
    Wer weiß das, ohne sie gehört zu haben? Wer von unsern Nachkommen glaubt das, ohne es zu sehen? Dazu bin ich der festen Meinung, daß Welt und Christentum noch so lange stehen werden, daß in Betracht der Religion die Schriftsteller der ersten zwei Tausend Jahre nach Christi Geburt, der Welt eben so wichtig sein werden, als uns itzt die Schriftsteller der ersten zwei Hundert Jahre sind.
    Das Christentum geht seinen ewigen allmähligen Schritt: und Verfinsterungen bringen die Planeten aus ihrer Bahn nicht. Aber die Sekten des Christentums sind die Phases desselben, die sich nicht anders erhalten können, als durch Stockung der ganzen Natur, wenn Sonn und Planet und Betrachter auf dem nämlichen Punkte verharren. Gott bewahre uns vor dieser schrecklichen Stockung!
    Also, ehrwürdiger

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