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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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    »Es ist,« erwiderte Herr Swammer, »es ist recht und billig, daß der Hauswirt wisse, wen er in seinem Hause beherbergt. Erfahren Sie also, verehrter Herr Tyß, daß das Mädchen, das sich zu mir geflüchtet, niemand anders ist, als die hübsche Holländerin Dörtje Elverdink, Nichte des berühmten Leuwenhoek, der, wie Sie wissen, hier die wunderbaren mikroskopischen Kunststücke zeigt. Leuwenhoek ist sonst mein Intimus; aber ich muß bekennen, daß er ein harter Mann ist und die arme Dörtje, die noch dazu mein Patchen, mißhandelt auf arge Weise. Ein stürmischer Auftritt, der sich gestern abend ereignete, zwang das Mädchen zur Flucht, und daß sie bei mir Trost und Hilfe suchte, scheint natürlich.«
    »Dörtje Elverdink,« sprach Peregrinus halb träumend, »Leuwenhoek! – vielleicht ein Abkömmling des Naturforschers Anton von Leuwenhoek, der die berühmten Mikroskope verfertigte?«
    »Daß unser Leuwenhoek,« erwiderte Herr Swammer lächelnd, »ein Abkömmling jenes berühmten Mannes sei, kann man so eigentlich nicht sagen, da er der berühmte Mann selbst und es nur eine Fabel ist, daß er vor beinahe hundert Jahren in Delft begraben worden. Glauben Sie das, bester Herr Tyß, sonst könnten Sie wohl noch gar daran zweifeln, daß ich, unerachtet ich mich der Kürze halber und, um nicht über Gegenstände meiner Wissenschaft jedem neugierigen Toren Rede stehen zu müssen, jetzt Swammer nenne, der berühmte Swammerdamm bin. Alle Leute behaupten, ich sei im Jahre 1680 gestorben, aber Sie bemerken, würdiger Herr Tyß, daß ich lebendig und gesund vor Ihnen stehe, und daß ich wirklich ich bin, kann ich jedem, auch dem Einfältigsten aus meiner Biblia naturae demonstrieren. Sie glauben mir doch, werter Herr Tyß?«
    »Mir ist,« sprach Peregrinus mit einem Ton, der von seiner innern Verwirrung zeugte, »mir ist seit ganz kurzer Zeit so viel Wunderbares geschehen, daß ich, wäre nicht alles deutliche Sinneswahrnehmung, ewig daran zweifeln würde. Aber nun glaube ich an alles, sei es auch noch so toll und ungereimt! – Es kann sein, daß Sie der verstorbene Herr Johann Swammerdamm sind und daher als Revenant mehr wissen als andere gewöhnliche Menschen; was aber die Flucht der Dörtje Elverdink oder der Prinzessin Gamaheh, oder wie die Dame sonst heißen mag, betrifft, so sind Sie im gewaltigen Irrtum. – Erfahren Sie, wie es damit herging.«
    Peregrinus erzählte nun ganz ruhig das Abenteuer, das er mit der Dame bestanden, von ihrem Eintritt in Lämmerhirts Stube an bis zu ihrer Aufnahme in Herrn Swammers Zimmer.
    »Mir scheint,« sprach Herr Swammer, als Peregrinus geendigt, »mir scheint, als wenn das alles, was Sie mir zu erzählen beliebt haben, nichts sei als ein merkwürdiger, jedoch ganz angenehmer Traum. Ich will das aber dahingestellt sein lassen und Sie um Ihre Freundschaft bitten, deren ich vielleicht gar sehr bedürfen werde. Vergessen Sie mein mürrisches Betragen und lassen Sie uns einander näher treten. Ihr Vater war ein einsichtsvoller Mann und mein herzlichster Freund; aber was Wissenschaft, tiefen Verstand, reife Urteilskraft, geübten richtigen Lebensblick betrifft, so tut es der Sohn dem Vater zuvor. Sie glauben gar nicht, wie ich Sie hochschätze, mein bester würdigster Herr Tyß.« –
    »Jetzt ist es Zeit,« lispelte Meister Floh, und in dem Augenblick fühlte Peregrinus in der Pupille des linken Auges einen geringen schnell vorübergehenden Schmerz. Er wußte, daß Meister Floh ihm das mikroskopische Glas ins Auge gesetzt, doch fürwahr, diese Wirkung des Glases hatte er nicht ahnen können. Hinter der Hornhaut von Swammers Augen gewahrte er seltsame Nerven und Äste, deren wunderlich verkreuzten Gang er bis tief ins Gehirn zu verfolgen und zu erkennen vermochte, daß es Swammers Gedanken waren. Die lauteten aber ungefähr: »Hätte ich doch nicht geglaubt, daß ich hier so wohlfeilen Kaufs davonkomme, daß ich nicht besser ausgefragt werden würde. War aber der Herr Papa ein beschränkter Mensch, auf den ich niemals etwas gab, so ist der Sohn noch verwirrteren Sinnes, dem ein großer Besitz kindischer Albernheit zugegeben. Erzählt mir der Einfaltspinsel die ganze Begebenheit mit der Prinzessin und setzt nicht voraus, daß sie mir schon selbst alles erzählt hat, da mein Beginnen mit ihr ein früheres vertrauliches Verhältnis notwendig voraussetzte. – Aber was hilft’s, ich muß schön mit ihm tun, weil ich seiner Hilfe bedarf. Er ist unbefangen genug, mir alles zu

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