Werke
aufseufzte: »Peregrinus, mein Peregrinus!« da erfaßte den Herrn Peregrinus Tyß der volle Wahnsinn der Leidenschaft, und nur eine unnennbare Angst, die ihm alle Kraft des Entschlusses raubte, hielt ihn zurück, nicht die Türe mit Gewalt einzustoßen und sich dem Engelsbilde zu Füßen zu werfen.
Der geneigte Leser weiß bereits, was es mit den zauberischen Reizen, mit der überirdischen Schönheit der kleinen Dörtje Elverdink für eine Bewandtnis hat. Der Herausgeber kann versichern, daß, nachdem er ebenfalls durch das Schlüsselloch geguckt und die Kleine in ihrem phantastischen Kleidchen von Silberzindel erblickt hatte, er weiter nichts sagen konnte, als daß Dörtje Elverdink ein ganz liebenswürdiges, anmutiges Püppchen sei.
Da aber kein junger Mann sich zum erstenmal in ein anderes Wesen verliebt hat als in ein überirdisches, in einen Engel, dem nichts gleich kommt auf Erden, so sei es dem Herrn Peregrinus auch erlaubt, Dörtje Elverdink für ein dergleichen zauberisches überirdisches Wesen zu halten. –
»Nehmt Euch zusammen, denkt an Euer Versprechen, werter Herr Peregrinus Tyß. – Niemals wolltet Ihr die verführerische Gamaheh wieder sehen, und nun! – Ich könnte Euch das Mikroskop ins Auge werfen, aber Ihr müßt ja auch ohne dasselbe gewahren, daß die boshafte Kleine Euch längst bemerkt hat, und daß alles, was sie beginnt, trügerische Kunst ist, Euch zu verlocken. Glaubt mir doch nur, ich meine es gut mit Euch!« – So lispelte Meister Floh in der Falte des Halstuchs; solch bange Zweifel aber auch in Peregrinus Innerm aufstiegen, doch konnte er sich nicht losreißen von dem bezaubernden Anblick der Kleinen, die den Vorteil, sich unbemerkt glauben zu dürfen, gut zu benutzen und, mit verführerischen Stellungen wechselnd, den armen Peregrinus ganz außer sich selbst zu setzen verstand.
Herr Peregrinus Tyß stünde vielleicht noch an der Türe des verhängnisvollen Gemachs, hätte es nicht stark geläutet und hätte die Alte ihm nicht zugerufen, daß der alte Herr Swammer zurückkehre. Peregrinus flog die Treppe hinauf, in sein Zimmer. – Hier überließ er sich ganz seinen Liebesgedanken; mit eben diesen Gedanken kamen aber jene Zweifel zurück, die Meister Flohs Mahnungen in ihm erregt hatten. Es hatte sich recht eigentlich ein Floh in sein Ohr gesetzt, und er geriet in allerlei beunruhigende Betrachtungen.
»Muß ich,« dachte er, »muß ich nicht wirklich daran glauben, daß das holde Wesen die Prinzessin Gamaheh, die Tochter eines mächtigen Königs, ist? Bleibt dies aber der Fall, so muß ich es für Torheit, für Wahnsinn halten, nach dem Besitz einer so erhabenen Person zu streben. Dann aber hat sie ja auch selbst die Auslieferung eines Gefangenen verlangt, von dem ihr Leben abhinge, und stimmt dies genau mit dem überein, was mir Meister Floh gesagt, so kann ich auch beinahe nicht daran zweifeln, daß alles, was ich auf Liebe zu mir deuten dürfte, vielleicht nur ein Mittel ist, mich ihrem Willen ganz zu unterwerfen. Und doch! – sie verlassen – sie verlieren, das ist Hölle, das ist Tod!« –
Herr Peregrinus Tyß wurde in diesen schmerzlichen Betrachtungen durch ein leises bescheidenes Klopfen an der Türe gestört.
Wer hereintrat, war niemand anders, als der Mietsmann des Herrn Peregrinus. – Der alte Herr Swammer, sonst ein zusammengeschrumpfter menschenscheuer, mürrischer Mann, schien plötzlich um zwanzig Jahre jünger geworden zu sein. Die Stirne war glatt, das Auge belebt, der Mund freundlich; er trug statt der häßlichen schwarzen Perücke natürliches weißes Haar und statt des dunkelgrauen Oberrocks einen schönen Zobelpelz, wie ihn Frau Aline beschrieben.
Mit einer heitern, ja freudigen Miene, die ihm sonst ganz und gar nicht eigen, trat Herr Swammer dem Peregrinus entgegen. Er wünsche nicht, sprach Herr Swammer, seinen lieben Herrn Wirt in irgendeinem Geschäft zu stören; seine Pflicht als Mieter erfordere es aber, gleich am Morgen dem Hauswirt anzuzeigen, daß er in der Nacht genötigt worden, ein hilfloses Frauenzimmer bei sich aufzunehmen, das sich der Tyrannei eines bösen Oheims entziehen wolle und daher wohl einige Zeit in dem Hause zubringen werde, wozu es indessen der Erlaubnis des gütigen Wirts bedürfe, um die er hiemit ansuche.
Unwillkürlich fragte Peregrinus, wer denn das hilflose Frauenzimmer sei, ohne daran zu denken, daß dies in der Tat die zweckmäßigste Frage war, die er tun konnte, um die Spur des seltsamen Geheimnisses zu
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