Werke
Liebe, die den weiblichen Sinn erst recht nach seiner innersten Bedeutung gestaltet, und die wohl nur bei einem Jünglinge oft ins Fratzenhafte abarten mag.
Glück für Franziska, daß des Ritters Glaube ein arger Irrtum war. So sehr er sich mühte, dem tief weiblichen Gemüt Franziskas die Rauhigkeit eines männlichen Geistes, der das Spiel des Lebens verachtet, weil er es zu verstehen, es durchzuschauen vermeint, anzuerziehen; es gelang ihm nicht, die hohe Anmut und Liebenswürdigkeit, der Mutter Erbteil, zu zerstören, die immer mehr herausstrahlte aus Franziskas Innern, und die er in seltsamer Selbsttäuschung für die Frucht seiner weisen Erziehung hielt, ohne daran zu denken, daß er ja eben dagegen seine gefährlichsten Waffen gerichtet.
Franziska konnte nicht schön genannt werden, dazu waren die Züge ihres Antlitzes nicht regelmäßig genug; der geistreiche Feuerblick der schönsten Augen, das holde Lächeln, das um Mund und Wangen spielte, eine edle Gestalt im reinsten Ebenmaß der Glieder, die hohe Anmut jeder Bewegung, alles dieses gab indessen Franziskas äußerer Erscheinung einen unnennbaren Reiz. Kam nun noch hinzu, daß die viel zu gelehrte Bildung, die ihr der Vater gegeben, und die sonst nur zu leicht das innerste, eigentliche Wesen des Weibes zerstört, ohne daß ein Ersatz möglich, ihr nur diente, richtig zu verstehen, aber nicht abzusprechen, daß die Ironie, die ihr vielleicht von des Vaters Geist zugekommen, sich in ihrem Sinn und Wesen zum gemütlichen lebensvollen Scherz umgestaltete: so konnt’ es nicht fehlen, daß sie, als der Vater, den Ansprüchen des Lebens nachgebend, sie einführte, in die sogenannte große Welt, bald der Abgott aller Zirkel wurde.
Man kann denken, mit welchem Eifer sich Jünglinge und Männer um die holde, geistreiche Franziska bemühten. Diesen Bemühungen stellten sich nun aber die Grundsätze entgegen, die der Ritter du Chauvelin seiner Tochter eingeflößt. Hatte sich auch irgendein Mann, dem die Natur alles verliehen, um den Weibern zu gefallen, Franziskan mehr und mehr genähert, wollte ihr Herz sich ihm hinneigen, dann trat ihr plötzlich der fratzenhafte Popanz eines verliebten Weibes vor Augen, den der Vater herbeigezaubert, und der Schreck, die Furcht vor dem Scheubilde tötete jedes Gefühl der Liebe im ersten Aufkeimen. Da es unmöglich war, Franziska stolz, spröde, kalt zu nennen, so geriet man auf den Gedanken eines geheimen Liebesverständnisses, auf dessen Entwickelung man begierig wartete, wiewohl vergebens. Franziska blieb unverheiratet bis in ihr fünfundzwanzigstes Jahr. Da starb der Ritter, und Franziska, seine einzige Erbin, kam in den Besitz des Ritterguts Nerbonne.
Die Duchesse d’Aiguillon (wir haben sie in dem Eingange der Geschichte kennen gelernt) fand es nun nötig, sich um Franziskas Wohl und Weh, um ihre Verhältnisse zu kümmern, da sie es nicht für möglich hielt, daß ein Mädchen, sei sie auch fünfundzwanzig Jahre alt geworden, sich selbst beraten könne. Gewohnt, alles auf gewisse feierliche Weise zu betreiben, versammelte sie eine Anzahl Frauen, die über Franziskas Tun und Lassen Rat hielten und endlich darin übereinkamen, daß ihre jetzige Lage es durchaus erfordere, sich zu vermählen.
Die Duchesse übernahm selbst die schwierige Aufgabe, das ehescheue Mädchen zur Befolgung dieses Beschlusses zu bewegen, und freute sich im voraus über den Triumph ihrer Überredungskunst. Sie begab sich zu der Chauvelin und bewies ihr in einer wohlgesetzten Rede, die ihr nicht wenig Kopfbrechens gekostet, daß sie endlich den Bedingnissen des Lebens nachgeben, ihren Starrsinn, ihre Sprödigkeit ablegen, rücksichtslos dem Gefühl der Liebe Raum lassen und einen Mann, der ihrer wert, mit ihrer Hand beglücken müsse.
Franziska hatte die Duchesse mit ruhigem Lächeln angehört, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Nicht wenig erstaunte die Duchesse aber jetzt, als Franziska erklärte, daß sie ganz ihrer Meinung sei, daß ihre Lage, der Besitz der weitläuftigen Güter, die Verwaltung des Vermögens durchaus erfordere, sich durch die Vermählung mit einem ehrenwerten Manne ihres Standes im Leben fest zu stellen. Sie sprach dann von dieser Vermählung wie von einem Geschäft, das, von ihrem Verhältnis herbeigeführt, notwendig abgeschlossen werden müsse, und meinte, daß sie vielleicht bald imstande sein werde, unter ihren Bewerbern den zu wählen, der sich als den vernünftigsten, ruhigsten bewährt.
»Fräulein,« rief
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