Werke
beinahe erlegen, ließ mich die Wahrheit alles dessen, was er darüber gesagt, vollkommen einsehen. Ich kämpfte einen schweren Kampf; aber ich siegte; das Bild des Jünglings verschwand, ich fühlte mich froh und frei, ich wagte mich wieder in Eure Gesellschaft, gnädigste Frau; aber ich fand den Gefürchteten nicht wieder. Dem Schicksal oder vielmehr jenem bösen Prinzip des Lebens genügte aber nicht mein Sieg; ein schwererer Kampf stand mir bevor. – Mehrere Wochen waren vergangen, als ich, da eben die Abenddämmerung einzubrechen beginnt, im Fenster liege und hinaussehe auf die Straße. Da erblicke ich jenen Jüngling, der zu mir hinaufschaut, mich grüßt und dann geradezu losschreitet auf die Tür des Hauses. – Weh mir! – mit verdoppelter Kraft ergreift mich jene entsetzliche Macht! – Er kommt, er sucht dich auf! – Dieser Gedanke, – Entzücken, – Verzweiflung – raubt mir die Sinne! – Als ich aus tiefer Ohnmacht erwachte, lag ich ausgekleidet auf dem Sofa; mein Vater stand bei mir, ein Naphthafläschchen in der Hand. Er fragte, ob mir etwas Besonderes begegnet. Er habe die Tür meines Zimmers öffnen, wieder verschließen und dann Tritte die Treppe herab gehört, die ihm männliche hätten bedünken wollen, mich aber zu seinem nicht geringen Schreck ohnmächtig auf der Erde liegend gefunden. Ich konnte, ich durfte ihm nichts sagen; doch schien er das Geheimnis zu ahnen, denn des Nervenfiebers, das mich an den Rand des Grabes brachte, unerachtet, traf mich seine bittre Ironie, die er gegen verfängliche Ohnmachten eines verdrießlichen Liebesfiebers richtete. Ich danke ihm das; denn er verhalf mir zum zweiten Siege, der mir glorreicher schien als der erste.«
Die Duchesse umarmte, küßte und herzte voller Freude das Fräulein. Sie versicherte, daß nun alles sich gar herrlich fügen werde; auf den erfochtenen Sieg gebe sie ganz und gar nichts; vielmehr werde sie, da sie ein Tagebuch führe, in dem jede Person, die ihre Abendgesellschaft besucht, und was dabei vorgefallen, genau aufgezeichnet stehe, sehr leicht den Jüngling ausfindig machen, der Franziskas Liebe errungen, und so ein Liebespaar vereinen, das abscheuliche Grundsätze eines starrsinnigen Vaters getrennt.
Franziska versicherte dagegen, daß, wenn der Jüngling, der nun nach beinahe zehn Jahren wohl ein Mann worden, wirklich noch unverheiratet sei und sich um ihre Hand bewerben wolle, sie sich doch nimmermehr mit ihm vermählen werde, da die Erinnerung an jene verhängnisvollen Augenblicke ihr Leben durchaus verstören müsse.
Die Duchesse schalt sie ein eigensinniges Ding und meinte sogar, daß die Stunde der Erkenntnis vielleicht zu spät und dann unwiederbringliches Verderben über Franziska kommen könne.
Das Fräulein meinte, daß, da sie sich zehn Jahre hindurch bewährt, wohl eine Änderung ihres Sinns unmöglich gedacht werden könne. Auch übereilte sie sich eben nicht mit der ihr selbst so notwendig dünkenden Wahl eines Gatten, denn beinahe drei Jahre vergingen, und noch war sie unverheiratet.
»Seltsam wie sie ist, wird sie das Seltsame unerwartet tun«, sprach die Duchesse d’Aiguillon und hatte recht; denn niemand hatte geahnet, daß Franziska dem Marquis de la Pivardiere ihre Hand reichen würde, wie es wirklich geschah.
Der Marquis de la Pivardiere war unter Franziskas Bewerbern derjenige, dessen Ansprüche auf ihre Hand gerade die geringsten schienen. Von mittelmäßiger Gestalt, trocknem Wesen, etwas unbehilflichem Geiste, stellte er sich in der Gesellschaft eben nicht glänzend dar. Er war gleichgültig gegen das Leben, weil er es in früherer Zeit vergeudet, und diese Gleichgültigkeit, die bisweilen überging in Verachtung, ließ sich oft aus in beißenden Spott. Dabei gehörte er zu den unentschiedenen Charakteren, die niemals Böses tun ohne dringenden Anlaß, und Gutes, wenn es sich gerade so fügen will und sie nicht besonders daran denken dürfen.
Franziska glaubte in der Art, wie sich der Marquis gab, in seinen Meinungen und Grundsätzen viel Ähnliches mit ihrem Vater zu finden, und dies veranlaßte sie, sich ihm mehr anzunähern. Der Marquis, schlau genug, einzusehen, worauf es ankomme, um sie für sich zu gewinnen, hatte nichts Angelegentlicheres zu tun, als auf das sorglichste alles zu studieren und sich einzuprägen, was Franziska aus dem Innersten heraus vorzüglich über das Verhältnis der Ehe äußerte, und es dann als seine eigne Überzeugung vorzutragen.
Diese scheinbare Einigkeit der
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