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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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die Duchesse, »Fräulein, sollte Euer reiches Gemüt, Euer empfänglicher Sinn denn ganz verschlossen sein dem schönsten Gefühl, das die Sterblichen beglückt? – Habt Ihr denn niemals, niemals geliebt?«.
    Franziska versicherte, daß dies niemals der Fall gewesen sei, und entwickelte dann die Theorie ihres Vaters über ein Gefühl, das ein böses Prinzip in der Natur mit heilloser Ironie in die menschliche Brust gelegt, da es die Urkraft des menschlichen Geistes breche und nichts herbeiführe als ein durch Demütigungen, durch lächerliche Narrheiten aller Art verstörtes Leben.
    Die Duchesse geriet ganz außer sich über die abscheulichen Grundsätze und begann Franziska tüchtig auszuschelten, daß sie einer Lehre gefolgt, die sie geradezu ruchlos und teuflisch nannte, da sie der innersten Natur des Weibes zuwider sei und eben das bewirken müsse, was sie dem höchsten Gefühle schuld gebe, nämlich ein armseliges verstörtes Leben. Zuletzt faßte sie des Fräuleins Hand und sprach, indem ihr die Tränen in die Augen traten: »Nein, mein gutes teures Kind, nein, es ist nicht möglich; du täuschest dich selbst, du gibst dich uns schlechter, als du wirklich bist; fremd sind dir jene Grundsätze eines strengen, starren Mannes, der dem Leben feindlich entgegentrat! – Du hast geliebt und widerstrebtest nur im ungekünstelten Eigensinn deiner innern Regung! – Sei aufrichtig, erwäge jeden Augenblick deines Lebens! – Es ist nicht möglich, daß es keinen geben sollte, in dem nicht das Gefühl der Liebe plötzlich eindrang in dein eisumpanzertes Herz!«
    Franziska stand im Begriff, der Duchesse zu antworten, als plötzlich ein Gedanke wie ein Blitz sie zu durchzucken schien. Über und über errötend, dann zum Tode erbleichend, starrte sie zur Erde nieder; ein tiefer Seufzer stieg aus der Brust empor, dann begann sie: »Ja, ich will aufrichtig sein – Ja, es gab in meinem Leben einen Moment, in dem mich mit zerstörender Gewalt ein Gefühl überraschte, das ich verabscheuen lernte und noch verabscheue!« –
    »Weh dir!« rief die Duchesse, »weh dir, aber sprich!«
    »Ich hatte«, erzählte Franziska, »eben mein sechzehntes Jahr zurückgelegt, als mein Vater mich in Eure Zirkel, gnädigste Frau, einführte. Ihr verstandet meine Befangenheit zu besiegen, mich dahin zu bringen, meiner Laune mich ganz hinzugeben. Man fand das, was ich jetzt als ausgelassen verwerfen würde, damals über die Maßen liebenswürdig, und ich hätte eitel genug sein können, mich für die gefeierte Königin der Gesellschaft zu halten.«
    »Das wart Ihr, das wart Ihr!« unterbrach die Duchesse das Fräulein.
    »Ich weiß nicht mehr,« fuhr das Fräulein fort, »was ich eben sprach, aber es erregte die Teilnahme der ganzen Gesellschaft so sehr, daß in dem tiefsten Stillschweigen aller Blicke starr auf mich gerichtet waren und ich beschämt die Augen niederschlug.
    Es war mir, als vernähme ich ganz in meiner Nähe den Namen Franziska! wie einen leisen Seufzer. – Unwillkürlich schaue ich auf – mein Blick fällt auf einen Jüngling, den ich so lange noch gar nicht bemerkt; – aber ein unbekanntes Feuer strahlt aus seinen dunklen Augen und durchdringt mein Innerstes wie ein glühender Dolch, – mich erfaßt ein namenloser Schmerz, – es ist mir, als müsse ich sterbend niedersinken, aber der Tod sei das höchste seligste Entzücken des Himmels. – Keines Wortes mächtig, vermag ich nur, von süßer Qual gepeinigt, tief aufzuseufzen – Tränen strömen mir aus den Augen – Man hält mich für plötzlich erkrankt, man bringt mich in ein Nebenzimmer, man schnürt mich auf, man braucht alle Mittel, die zur Hand sind, mich aus dem entsetzlichen Zustande zu reißen. – In tötender Angst, ja in Verzweiflung versichere ich endlich, daß alles vorüber, daß mir wieder wohl sei. – Ich verlange zurück in die Gesellschaft. – Meine Augen suchen, finden ihn – ich sehe nichts als ihn – ihn! – Ich erbebe vor dem Gedanken, daß er sich mir nähern könne, und doch ist es eben dieser Gedanke, der mich mit dem süßesten, nie gefühlten, nie geahneten Entzücken durchströmt! – – Mein Vater mußte meinen überreizten Zustand bemerken, konnte er auch vielleicht dessen Ursache nicht erforschen; er führte mich schnell fort aus der Gesellschaft. –
    So jung ich war, mußte ich doch wohl erkennen, daß das böse verstörende Prinzip auf mich eingedrungen, vor dem mich der Vater so sehr gewarnt, und eben die Gewalt, der ich

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