Werke
Sohn und ein Herr Dupin, alle Nachbarn der Marquise. –
Die Marquise unterließ nicht, ihrem Gemahl zu schreiben, daß der Kapellan des Schlosses gestorben, daß der Augustiner Charost indessen den Dienst verwalte, und daß er nun bestimmen möge, ob Charost, der, wie er behaupte, sein Jugendfreund sei, den Dienst behalten sollte.
Der Marquise ging es indessen mit diesem Briefe wie mit allen übrigen, die sie dem Marquis schrieb. Regelmäßig erhielt sie nämlich von dem Marquis Briefe, aus dem Ort datiert, wo das Regiment des Grafen de Saint Hermine stand; keiner dieser Briefe enthielt aber jemals eine Antwort auf das, was sie ihm geschrieben, und so mußte sie glauben, daß sich der Marquis, der ihre Briefe offenbar erhalten mußte, da er nie über ihr Stillschweigen klagte, jedes Gedankens an häusliche Angelegenheiten, an die Heimat entschlagen wolle. Der Marquis schrieb auch nun wieder kein einziges Wort von Charost und der Kapellanstelle. –
Anders sollte sich die Sache aufklären, als die Marquise es geglaubt, ja nur geahnet. – Vignan, Parlamentsprokurator zu Paris, schrieb ihr, daß sich ein Polizeileutnant aus Auxerre an ihn gewandt, um zu erfahren, wo der Marquis de la Pivardiere, der sich lange dort aufgehalten, und an den ein dortiges Frauenzimmer aus gewissen Verhältnissen entstandene Ansprüche habe, sich jetzt befinde.
Die Marquise hatte bis jetzt nicht das mindeste von ihres Gemahls Aufenthalt zu Auxerre gewußt; kein einziger seiner Briefe war von diesem Ort datiert gewesen. Dieser Umstand, sowie das gewisse Verhältnis, in dem er dort mit einem Frauenzimmer gestanden haben sollte, beunruhigte die Marquise. Sie forschte weiter nach und erfuhr bald, daß der Marquis schon seit langer Zeit den Kriegsdienst verlassen und sich in Auxerre aufgehalten. Dort hatte er sich mit einer Gastwirtstochter, namens Pillard, in einen Liebeshandel eingelassen, der ihm so wohl gefallen, daß er sich entschlossen, eine doppelte Rolle zu spielen, die des Marquis de la Pivardiere und die des Huissier Bouchet. Diesen Namen und Posten hatte er wirklich angenommen, sich einlogiert in den Gasthof des Vaters seiner Geliebten, dieser die Ehe versprochen und sie dann verführt. Erst später war es der Pillard gelungen, den richtigen Namen ihres Verführers zu erforschen. –
Das Gefühl des tiefsten Schmerzes, der kränkendsten Verbitterung, das die Marquise übermannte, als der verschmähte Charost ihr vor Augen trat, und das erst den Vater anklagte, hatte sich immer mehr und mehr gegen den Marquis gerichtet. Ihn sah sie für den an, der bestimmt gewesen, das zu vollenden, was der Vater begonnen, nämlich ihr Lebensglück zu zerstören. Sie vergaß, daß es nur ihr eigner verkehrter Sinn gewesen, der sie dem Marquis in die Arme führte. –
Jene Verbitterung ging aber in den entschiedensten Haß über, als die Marquise sich überzeugte, daß sie ihr Lebensglück einem Elenden geopfert. Weniger lebhaft hätte die Marquise vielleicht das ihr geschehene Unrecht gefühlt, wäre Charost nicht aus der Verborgenheit hervorgetreten. – Kann ein Weib ihre erste einzige Liebe wegbannen aus dem Herzen? – Kann der Geliebte sich jemals umgestalten, ein anderer sein, als eben der Geliebte? – So kam es denn wohl auch, daß durch das Verhältnis mit Charost, war bei seiner anerkannten Frömmigkeit an die mindeste Überschreitung des strengsten Anstandes, viel weniger an ein Verbrechen nicht einmal zu denken, wenigstens in der Marquise ganz andere Ansprüche an das Leben im Bunde mit einem geliebten Manne erweckt wurden, als die sie sonst im Innern getragen. Aber diese Ansprüche an ein nicht geahntes Lebensglück sah sie in dem Augenblicke der Erkenntnis vereitelt, und die Trostlosigkeit über diesen unwiederbringlichen Verlust mußte den Haß gegen den Marquis vermehren. Diesen Haß sprach sie bei jeder Gelegenheit auf das lebhafteste aus; sie versicherte, daß sie weit entfernt sei, ihre Rechte gegen den entarteten Gemahl auf irgendeine Weise geltend zu machen, daß ihr kein größeres Unheil geschehen könne, als wenn es dem Marquis einfallen sollte, zurückzukehren, daß sie dann jedes Mittel ergreifen würde, ihn aus dem Schlosse Nerbonne zu entfernen. Charost bemühte sich vergebens, das durch Liebe und Haß aufgeregte Gemüt der Marquise zu beruhigen oder es wenigstens dahin zu bringen, daß sie sich in den Ausbrüchen des heftigsten leidenschaftlichsten Zorns mäßige. –
Der Marquis de la Pivardiere hatte sich
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