Werke
verschlossen gefunden. Dann sei alles still geworden. Des andern Tages habe sie in dem Zimmer, wo der Vater geschlafen, Blutspuren am Boden bemerkt und die Mutter selbst blutige Tücher waschen gesehen.
War es denkbar, daß ein unschuldiges, unbefangenes Kind nicht die Wahrheit sagen, Umstände der Art erdichten sollte? Der Herr von Preville ließ das Kind seine Aussage vor mehreren glaubwürdigen, unverdächtigen Personen wiederholen, und beide, er und seine Gattin, waren, je mehr sie sonst sich geneigt gefühlt, die Unschuld der Marquise zu behaupten, jetzt desto erbitterter auf ein Wesen, von dem sie sich auf die empörendste Weise getäuscht glauben mußten.
Der königliche Generalprokurator zu Chatillon sur Indre, von allem diesem unterrichtet, klagte die Marquise des Mordes an. Eine Gerichtsperson, namens Bonnet, erhielt den Auftrag der Untersuchung und begab sich zu dem Ende mit einem Gerichtsschreiber, namens Breton, nach dem Dorfe Jeu.
Der Marquise konnte nicht verschwiegen bleiben, was ihr drohte; sie nahm mit ihrer Zofe, Margarete Mercier geheißen, die Flucht und bestätigte so den entsetzlichen Verdacht, den man gegen sie hegte. Eine andere Magd der Marquise, namens Katharine Lemoine, sollte geradezu geäußert haben, daß sie bei dem Morde ihres Herrn zugegen gewesen. Sie wurde verhaftet und bald darauf auch Margarete Mercier, die man zu Romorantin traf, wo sie von der Marquise zurückgelassen worden war.
Beide erzählten auf beinahe völlig gleiche Weise die gräßliche Tat mit allen Umständen, so daß an der Wahrheit ihrer Aussage nicht zu zweifeln war.
Als die Marquise (so lautete jene Aussage) sich überzeugt hatte, daß der Marquis eingeschlafen, entfernte sie soviel möglich alles Hausgesinde und brachte ihre neunjährige Tochter auf ein Zimmer des obern Stocks, wo sie dieselbe einschloß. Mit dem Glockenschlag zwölf wurde an das Schloßtor gepocht. Die Marquise befahl der Mercier, Licht anzuzünden und zu öffnen. Sie tat es, und der Augustiner Charost trat ein, begleitet von zwei Männern, von denen der eine mit einem Gewehr, der andere aber mit einem Säbel bewaffnet war. »Es ist nun Zeit«, rief die Marquise dem Charost entgegen, und alle begaben sich leisen Trittes nach dem Zimmer des Marquis. Einer von den Männern zog den Vorhang des Bettes auf. Der Marquis hatte sich bis an das Kinn in die Bettdecke eingehüllt und schlief fest. Als ihm aber der Mann die Decke wegziehen wollte, fuhr er erwachend in die Höhe; in demselben Augenblick drückte der andere sein Gewehr auf den Marquis ab und traf ihn, jedoch nicht zum Tode.
Blutbesudelt warf er sich hinaus in die Mitte des Zimmers und flehte um sein Leben, jedoch vergebens. »Vollendet!« rief die Marquise den Männern zu. Da schrie der Marquis in voller Verzweiflung: »Grausames Weib, kann dich denn nichts rühren? Kann deinen Haß denn nichts versöhnen, als mein Blut? – Nie sollst du mich wiedersehen, alle Ansprüche gebe ich auf, nur schenke mir mein Leben!« – »Vollendet!« rief die Marquise noch einmal, indem die Wut der Hölle aus ihren Augen blitzte. Nun warfen sich alle drei, Charost und die beiden Männer, über den Marquis her und versetzten ihm mehrere Stiche. Als sie endlich von ihm abließen, röchelte er noch; da riß die Marquise dem einen der Mörder den Säbel aus der Hand, stieß ihn dem Marquis in die Brust und endete seinen Todeskampf. – Eben in diesem Augenblicke trat Katharine Lemoine, die von der Marquise nach der nahegelegenen Meierei geschickt worden, hinein, so daß sie die Tat der Marquise mit ansah. Sie wollte aufschreien vor Entsetzen; die Marquise rief den Männern zu, sie sollten dem Mädchen ein Tuch in den Mund stecken; diese erwiderten indessen, das sei gar nicht nötig, da sie das Mädchen beim ersten Laut niederstoßen würden. Darauf trugen die beiden Männer den Leichnam fort. Während ihrer Abwesenheit ließ die Marquise das Zimmer sorglich reinigen, indem sie selbst Asche herbeibrachte, und die blutbefleckten Betten und Bettücher nach dem Keller tragen. Zwei Stunden darauf kehrten die Männer zurück. Die Marquise bewirtete sie, aß und trank selbst mit ihnen, und dann entfernten sie sich mit Charost.
Eben jener Hybert, von dem auch das Gerücht der Ermordung des Marquis ausgegangen, sollte ebenfalls in das Zimmer eingedrungen sein. Er gestand, daß er durch einen Schuß geweckt worden und geglaubt, daß der Marquis von Räubern überfallen worden sei. Deshalb sei er nach des Marquis
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