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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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wird!«
    »Höre,« sprach Sever, »du nennst dich selbst ein unmündiges Kind, Eugenius, zum Teil bist du es wirklich, und dies gibt mir Welterfahrnen das Übergewicht, das mir sonst die Jahre nicht zugestehen würden, da ich nur wenig älter als du. Magst du es daher nicht voreilige Hofmeisterei nennen, wenn ich dich versichere, daß du von deinem Standpunkt aus gar nicht vermagst in der ganzen Sache klar zu sehen. Glaube ja nicht, daß ich gegen die gute harmlose Absicht der Professorin den mindesten Zweifel hege, daß ich nicht überzeugt bin, sie will nur dein Glück, aber sie selbst, guter Eugenius, sie selbst ist in großem Irrtum befangen. Es ist eine alte richtige Bemerkung, daß die Weiber alles vermögen, nur nicht sich außer sich selbst heraus zu versetzen in die Seele des andern. Was sie selbst lebhaft empfinden, gilt ihnen für die Norm alles Empfindens überhaupt, und die eigene innere Gestaltung ist ihnen der Prototypus, nach dem sie das, was in des andern Brust verschlossen, beurteilen und richten. So wie ich die alte Professorin kenne in all ihrem Tun und Wesen, muß ich denken, daß sie nie heftiger Leidenschaft fähig war, daß sie jenes Phlegma von jeher besaß, welches die Mädchen und Frauen lange hübsch erhält, denn in der Tat noch jetzt sieht die Alte für ihre Jahre glatt und glau genug aus. Daß der alte Helms das Phlegma selbst war, wissen wir beide, und kommt nun hinzu, daß beide nächst der frommen Einfachheit altvorderlicher Sitten eine recht herzliche Gemütlichkeit in sich trugen, so mußt’ es eine recht glückliche, ruhige Ehe geben, in welcher der Mann niemals die Suppe tadelte, die Frau aber niemals die Studierstube zur Unzeit scheuern ließ. Dieses ewige Andante des ehelichen Duetts glaubt nun die Professorin mit dir in aller Gemächlichkeit fortspielen zu können, da sie dir Phlegma genug zutraut, um nicht plötzlich mit einem Allegro hinauszufahren in die Welt. Bleibt in dem botanischen Schlafrock nur alles fein still und ruhig, so ist es am Ende gleich, wer drinnen sitzt, der alte Professor Helms oder der junge Student Eugenius. O, es ist kein Zweifel, die Alte wird dich pflegen, dich hätscheln, ich bitte mich im voraus bei dir zu Gaste auf den herrlichsten Mokkakaffee, den je eine alte Frau bereitet, und sie wird es gern sehen, wenn ich mit dir eine Pfeife des feinsten Varinas rauche, die sie selbst gestopft, und die ich mit dem Fidibus anzünde, den sie aus zum Feuertode verdammten Kollektaneen des Seligen zugeschnitten und gekniffen. – Aber wenn nun mitten in diese Ruhe, die für mich wenigstens alle Trostlosigkeit einer menschenleeren Wüste hat, wenn nun in diese Ruhe plötzlich der Sturm des Lebens einbricht?« –
    »Du meinst,« unterbrach Eugenius den Freund, »wenn böse Zufälle sich ereignen – Krankheit« –
    »Ich meine,« fuhr Sever fort, »wenn durch diese Glasfenster einmal ein Paar Augen hineinblicken, von deren feurigem Strahl die Kruste schmilzt, die dein Inneres überdeckt, und der Vulkan bricht los in verderblichen Flammen« –
    »Ich verstehe dich nicht!« rief Eugenius.
    »Und,« sprach Sever weiter, ohne auf Eugenius zu achten, »und wider solche Strahlen schützt kein botanischer Schlafrock, er fällt in Lumpen herab vom Leibe, und wär’ er von Asbest. – Und – abgesehen von dem, was sich in der Art Verderbliches ereignen kann, so lastet von Haus aus in diesem wahnsinnigen Bündnis der ärgste aller Flüche auf dir, der Fluch, vor dem auch die kleinste Blüte des Lebens erkrankt und abstirbt – es ist der Fluch des Lächerlichen.« –
    Eugenius verstand in seiner beinahe kindischen Unbefangenheit wirklich gar nicht recht, was der Freund sagen wollte; er war im Begriff, sich soviel möglich belehren zu lassen über die unbekannte Region, von der Sever schwatzte, als die Professorin hineintrat.
    Über Severs Antlitz zuckten tausend ironische Fältchen, ein spitzes Wort schwebte ihm auf der Zunge. Doch als die Professorin mit aller gemütlichen Freundlichkeit, mit aller anmutigen Würde einer edlen Matrone auf ihn zutrat, als sie ihn mit wenigen herzlichen Worten, die aber recht aus dem Innersten strömten, bewillkommte als den Freund ihres Eugenius, da war weggetilgt alle Ironie, aller schadenfrohe Spott, und es war dem Sever im Augenblick, als gäbe es in der Tat Wesen und Verhältnisse im Leben, von denen der gemeine Weltsinn nichts wisse, nichts ahne.
    Es sei hier gesagt, daß die Professorin beim ersten Anblick jeden seltsam

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