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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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wußte nicht, wie ihm geschah. Eiskalt und dann glühendheiß fuhr es ihm durch alle Glieder, ein unnennbares Weh durchschnitt seine Brust, und doch dünkte ihm, es sei ihm nie wohler gewesen. – »Wie, wenn nun die Braut sich dir nahte, wenn du sie auch an deine Brust drücktest?« – Dieser Gedanke, der ihn plötzlich traf wie ein elektrischer Schlag, schien ihm ein ungeheurer Frevel, aber die namenlose Angst, die ihn erdrücken wollte, war ja selbst die glühendste Sehnsucht, das dürstendste Verlangen, es möge sich das begeben, was sein ganzes Ich auflösen mußte in vernichtender Schmerzeslust.
    Jetzt bemerkte ihn der Professor und sprach ihn an: »Nun, Herr Eugenius, da haben wir unser junges glückliches Ehepaar – Sie mögen auch immer der Frau Doktorin Glück wünschen, das ist wohl ziemlich.« – Eugenius war keines Wortes mächtig, doch die holde Braut nahte sich, reichte ihm mit der anmutigsten Freundlichkeit die Hand, die Eugenius, ohne zu wissen, was er tat, an die Lippen drückte. Aber nun schwanden ihm auch die Sinne, er hielt sich mit Mühe aufrecht, er vernahm nichts davon, was die Braut zu ihm sprach, er fand sich erst wieder, als das junge Paar längst das Zimmer verlassen und der Professor Helms ihn ein wenig ausschalt wegen seiner unbegreiflichen Schüchternheit, in der er verstumme und wie ein lebloses Wesen erscheine ohne Teilnahme, ohne Empfindung. – Seltsam genug war es wohl, daß, nachdem Eugenius ein paar Tage durch und durch erschüttert, wie im Traum umhergegangen, die ganze Begebenheit in seinem Innern zerfloß zum wirren Traum. –
    Die Gestalt der holden engelsschönen Braut, wie er sie damals in dem Zimmer des Professors Helms geschaut, war es nun, die ihm plötzlich in regem, glühendem Leben vor Augen stand, und alles namenlose Weh jenes Augenblicks preßte aufs neue seine Brust zusammen. Aber es schien ihm, als sei er selbst der Bräutigam, und die Schönste breite die Arme aus, daß er sie umfange und an seine Brust drücke. Und da er im Übermaß des höchsten Entzückens auf sie losstürzen wolle, fühle er sich festgekettet, und eine Stimme riefe ihm zu: »Tor, was willst du beginnen, du gehörst nicht mehr dir selbst an, du hast deine Jugend verkauft, kein Frühling der Liebe und Lust blüht dir mehr auf, denn in den Armen des eisigen Winters bist du erstarrt zum Greise.« – Mit einem Schrei des Entsetzens erwachte er aus dem Traum, aber noch war es ihm, als sähe er die Braut, und hinter ihm stehe die Professorin und bemühe sich mit eiskalten Fingern ihm die Augen zuzudrücken, damit er die geschmückte schöne Braut nicht schauen möge. – »Hinweg,« rief er, »hinweg, noch ist meine Jugend nicht verkauft, noch bin ich nicht erstarrt in den Armen des eisigen Winters!« –
    Mit der glühendsten Sehnsucht flammte ein tiefer Abscheu auf gegen die Verbindung mit der alten sechzigjährigen Professorsfrau. –
    Eugenius mochte wohl am andern Morgen etwas verstört aussehen; die Professorin erkundigte sich sogleich nach seinem Befinden, bereitete ihm selbst, da er über Kopfweh und Mattigkeit klagte, einen stärkenden Trank und pflegte und hätschelte ihn wie ein verzärteltes krankes Kind.
    »Und,« sprach Eugenius zu sich selbst, »und all diese mütterliche Liebe und Treue sollte ich lohnen mit dem schwärzesten Undank, in wahnsinniger Betörtheit mich losreißen von ihr, von allen meinen Freuden, von meinem Leben? Und das eines Traumbilds halber, das nie für mich aufleben kann, das, vielleicht Verlockung des Satans, mich von schnöder Sinneslust Verblendeten stürzen sollte ins Verderben? – Gibt es da noch zu denken, zu überlegen? Fest, unwandelbar fest steht mein Entschluß!« –
    Noch an demselben Abend wurde die alte, beinahe sechzigjährige Professorin die Braut des jungen Herrn Eugenius, der zur Zeit noch zu den Studenten zu rechnen.
Zweites Kapitel
    Lebensansichten eines weltklugen Jünglings. Der Fluch des Lächerlichen. Der Zweikampf um der Braut willen. Verfehlte Nachtmusik und eingetroffene Hochzeit. Mimosa pudica.
    Eugenius war eben beschäftigt, einige Topfgewächse zu beschneiden, als Sever, der einzige Freund, mit dem er sparsamen Umgang pflegte, zu ihm hineintrat. – Sowie aber Sever den in seine Arbeit vertieften Eugenius erblickte, blieb er festgewurzelt stehen und schlug dann eine übermäßige Lache auf.
    Das hätte auch wohl ein anderer getan, der weniger empfänglich für alles Bizarre als der joviale lebenslustige Sever.
    Die alte

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