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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Professorin hatte in aller herzlicher Gutmütigkeit dem Bräutigam die Garderobe des seligen Professors erschlossen und sogar geäußert, daß sie es gern sehen würde, wenn Eugenius, wolle er auch nicht eben in den altmodigen Kleidern über die Straße gehen, doch von den schönen bequemen Morgenanzügen Gebrauch mache.
    Da stand nun Eugenius in dem weiten mächtigen Schlafrock des Professors, von indischem, mit den buntesten Blumen jeder Art besäten Zeuge, eben eine solche hohe Mütze auf dem Kopf, auf deren Vorderseite gerade ein glühendes Lilium bulbiferum (Feuerlilie) prangte, und sah mit seinem Jünglingsgesicht in dieser Maske aus wie ein verzauberter Prinz.
    »Gott behüte und bewahre,« rief Sever, als er sich endlich von seinem Lachen erholt, »ich glaubte, es spuke hier, und der selige Professor wandle, aus dem Grabe erstanden, unter seinen Blumen, selbst ein artiges Staudengewächs mit den seltsamsten Blüten! – Sage, Eugenius, wie kamst du zu dieser Maskerade?«
    Eugenius versicherte, daß er in diesem Anzuge gar nichts Seltsames finde. Die Professorin habe ihm in ihrem jetzigen Verhältnis erlaubt, des verstorbenen Professors Schlafröcke zu tragen, die bequem und noch dazu von solchem kostbaren Zeuge verfertigt wären, wie es kaum in der ganzen Welt mehr aufzutreiben. Alle Blumen und Kräuter wären nämlich auf das genaueste der Natur abkonterfeit, und es gäbe in dem Nachlaß noch einige seltne Nachtmützen, die ein vollständiges Herbarium vivum ersetzten. Diese wolle er jedoch aus geziemender Ehrfurcht nur an besonderen Festtagen aufs Haupt setzen. Selbst der jetzige Anzug sei aber schon deshalb höchst merkwürdig und schön, weil der verstorbene Professor eigenhändig mit unauslöschbarer Tinte bei jeder Blume, bei jedem Kraut den richtigen Namen bemerkt, wie Sever sich durch näheres Beschauen des Schlafrocks und der Mütze überzeugen könne, so daß solch ein Schlafrock jedem wißbegierigen Lehrling zum herrlichen Studium dienen dürfte.
    Sever nahm die Nachtmütze in die Hand, die ihm Eugenius darreichte, und las wirklich in feiner, sauberer Schrift eine Menge Namen, z.B. Lilium bulbiferum, Pitcairnia angustifolia, Cynoglossum omphalodes, Daphne mezereum, Gloxinia maculata u.a.m. Sever wollte aufs neue ausbrechen in Lachen, doch plötzlich wurde er sehr ernst, schaute dem Freunde tief ins Auge und sprach: »Eugenius! – Wär’ es möglich – wär’ es wahr? – Nein, es kann, es darf nichts anders sein als ein possenhaftes albernes Gerücht, das der böse Leumund dir und der Professorin zum Hohn ausstreut! – Lache, Eugenius, lache recht derb, man sagt, du würdest die Alte heiraten?«
    Eugenius erschrak ein wenig, dann versicherte er aber mit niedergeschlagenen Augen, daß allerdings wahr sei, was man spreche.
    »So hat mich,« rief Sever in vollem Eifer, »so hat mich das Schicksal zur rechten Stunde hergebracht, dich wegzureißen von dem verderblichen Abgrunde, an dessen Rande du stehst! – Sage, welch ein heilloser Wahnsinn hat dich ergriffen, daß du dein Selbst in der schönsten Zeit verkaufen willst für ein schnödes Handgeld?« – So wie es dem Sever zu geschehen pflegte bei solcher Gelegenheit, er sprudelte auf, erhitzte sich selbst immer mehr und mehr, bis er zuletzt Verwünschungen ausstieß gegen die Professorin – gegen Eugenius und eben noch recht derbe Studentenflüche daraufsetzen wollte, als Eugenius ihn endlich mit Mühe dahinbrachte, stillzuschweigen und ihn anzuhören. Eben Severs aufbrausende Hitze hatte dem Eugenius seine ganze Haltung wiedergegeben. Er setzte nun dem Sever mit Ruhe und Klarheit das ganze Verhältnis auseinander, verhehlte nicht, wie die ganze Sache sich von Haus aus gestaltet, und schloß endlich mit der Frage, welchen Zweifel er wohl hegen könne, daß die Verbindung mit der Professorin eben ganz unbedingt sein Lebensglück machen werde.
    »Armer Freund,« sprach Sever, der nun auch wieder ruhig geworden, »armer Freund, in welches dichte Netz von Mißverständnissen hast du dich versponnen! – Doch vielleicht gelingt es mir, die fest geschürzten Knoten zu lösen, und dann, erst aus den Banden gerettet, wirst du den Wert der Freiheit fühlen. – Du mußt fort von hier!« »Nimmermehr,« rief Eugenius, »mein Entschluß steht fest. Du bist ein unseliger Weltling, wenn du zweifeln kannst an dem frommen Sinn, an der treuen Mutterliebe, womit die würdigste aller Frauen mich, der ich ewig ein unmündiges Kind, durch das Leben führen

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