Werke
selbst und der Wissenschaft leben können. Das aber vermag niemand besser als eine zärtliche, liebende Mutter, und die will ich sein und bleiben im strengsten Sinn des Worts, heiße ich auch vor der Welt Ihre Frau! – Gewiß ist Ihnen noch nie der Gedanke an Heirat und Ehe in den Sinn gekommen, lieber Eugenius, Sie dürfen auch eben nicht weiter darüber nachdenken, da, hat der Segen des Priesters uns auch verbunden, in keiner Hinsicht sich in unserm Beisammensein etwas ändern wird, es sei denn, daß jener Segen mich an heiliger Stätte erst in aller Frömmigkeit zu Ihrer Mutter weiht, wie Sie zu meinem Sohn. Mit desto größerer Ruhe durfte ich Ihnen, lieber Eugenius, den Vorschlag, der manchem Weltling gar seltsam und sonderbar bedünken möchte, wohl machen, da ich überzeugt bin, daß, gehen Sie ihn ein, nichts dadurch zerstört wird. Alles das, was weltliche Verhältnisse verlangen, um eine Frau glücklich zu machen, wird und muß Ihnen fremd bleiben, ja der Zwang des Lebens, der Druck, die Unbehaglichkeit so vieler Anforderungen, mit denen Sie gequält werden würden, dürfte gar leicht jede etwanige Täuschung vernichten und Ihnen desto lebhafter allen Harm, alle Not der unbequemen Wirklichkeit fühlen lassen. Deshalb kann und darf die Mutter in die Stelle der Frau treten.«
Gretchen kam hinein mit dem Umschlagetuch, das sie der Professorin darreichte.
»Ich will,« sprach die Professorin, »ich will durchaus keinen raschen Entschluß, lieber Freund! – entscheiden Sie sich erst dann, wenn Sie sich alles recht reiflich überlegt. – Für heute kein Wort, es ist eine gute alte Regel, daß man jede Sache, ehe man sich entschließt, beschlafen müsse.«
Damit verließ die Professorin das Glashaus und nahm Gretchen mit sich fort.
Die Professorin hatte ganz recht, noch niemals war dem Eugenius etwas von Heirat und Ehe in den Sinn gekommen, und eben nur deshalb hatte ihn der Antrag der Professorin bestürzt gemacht, weil plötzlich ein ganz neues Bild des Lebens ihm vor Augen zu stehen schien. Als er die Sache nun aber recht überlegte, so fand er nichts Herrlicheres, Wohltuenderes, als daß die Kirche einen Bund segne, der ihm eine gute Mutter und die heiligen Rechte des Sohnes erworben.
Gern hätte er der alten Frau sogleich seinen Entschluß kundgetan; da sie ihm aber bis zum andern Morgen zu schweigen geboten, so mußte er wohl an sich halten, unerachtet sein Blick, sein ganzes Wesen, das ganz stilles frommes Entzücken war, der Alten verraten mochte, was in seinem Innern vorging.
Als er nun sich aber anschickte, dem Rat der Professorin gemäß die Sache zu beschlafen, gerade in dem Delirieren des Einschlummerns ging ihm ein heller Schimmer, ein Traumbild auf, dessen Gestalten aus seinem Andenken sonst ganz entschwunden geschienen. Zu der Zeit, da er als Amanuensis des Professors Helms die Wohnung bei ihm genommen, kam öfters eine junge Großnichte ins Haus – ein ganz hübsches, artiges Mädchen – die aber seine Aufmerksamkeit so wenig erregte, daß er, als sie einige Zeit weggeblieben und es bald darauf hieß, sie werde zurückkommen und einen jungen Doktor am Orte heiraten, sich gar nicht mehr auf sie besinnen konnte. Als sie nun wirklich zurückkam und ihre Hochzeit mit dem jungen Doktor gefeiert werden sollte, war der alte Helms krank und konnte das Zimmer nicht verlassen. Da sprach aber das fromme Kind, daß es gleich nach der Trauung mit dem Bräutigam ins Haus kommen und von dem ehrwürdigen Paar den Glück und Heil bringenden Segen erflehen wolle. – Nun geschah es, daß Eugenius gerade in dem Augenblick in das Zimmer trat, als das Brautpaar vor den Alten kniete.
Gar nicht jenes Mädchen, jene Großnichte, die er sonst so oft im Hause gesehen, ein ganz anderes, höheres Wesen schien ihm die engelsschöne Braut. Sie war in weißen Atlas gekleidet. Eng umspannte das reiche Gewand den schlanken Leib und floß dann herab in breiten Falten. Durch kostbare Spitzen schimmerte der blendende Busen, das kastanienbraune, zierlich aufgeflochtene Haar schmückte reizend der bedeutsame Myrtenkranz. Eine süße fromme Begeisterung strahlte auf dem Antlitz der Holden, alle Anmut des Himmels schien über sie hingegossen. Der alte Helms schloß die Braut in seine Arme, dann tat die Professorin ein Gleiches und führte sie dem Bräutigam zu, der mit der Inbrunst des höchsten Entzückens das Engelskind stürmisch an seine Brust drückte.
Eugenius, den niemand bemerkte, um den sich niemand kümmerte,
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