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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Gretchen,« rief er dann noch einmal in tötender Angst, »Gretchen, sei barmherzig – rede – sprich – ist die Mutter im Garten gewesen?«
    »Ach,« erwiderte Gretchen endlich, »ach, lieber Herr Eugenius, die Mutter – nein, sie war nicht im Garten. Als sie eben hinabgehen wollte, wurde ihr so ängstlich zumute. Sie fühlte sich krank, blieb oben, legte sich ins Bette.« –
    »Gerechter Gott!« rief Eugenius, auf beide Knie niederstürzend und die Hände hoch erhebend, »gerechter Gott, du hast Erbarmen mit dem Verworfenen!«
    »Aber,« sprach Gretchen, »aber, lieber Herr Eugenius, was ist denn Furchtbares geschehen?« Doch ohne zu antworten, lief Eugenius hinab in den Garten, riß wütend das totbringende Gewächs aus der Erde und zertrat die Blüten in den Staub.
    Er fand die Professorin im sanften Schlummer. »Nein,« sprach er zu sich selbst, »nein, der Hölle Macht ist gebrochen, nichts vermag die Kunst des Satans über diese Heilige!« Dann ging er auf sein Zimmer; die gänzliche Erschöpfung brachte ihm Ruhe.
    Doch bald ging ihm wieder das entsetzliche Bild jenes höllischen Truges auf, der ihm unabwendbares Verderben bereitet. Nicht anders glaubte er sein Verbrechen büßen zu können, als mit dem freiwilligen Tode. Doch Rache, furchtbare Rache sollte diesem Tode vorausgehen.
    Mit der dumpfen, unheilschwangern Ruhe, die dem wütendsten Sturme folgt, und in der erst die entsetzlichsten Entschlüsse zu reifen pflegen, ging er hin, kaufte sich ein paar gute Doppelpistolen, Pulver und Blei, ladete das Gewehr, steckte es in die Tasche und wanderte hinaus nach dem Garten des Grafen Angelo Mora.
    Das Gattertor stand offen, Eugenius bemerkte nicht, daß es von Polizeisoldaten besetzt war; er wollte eben eintreten, als er sich von hinten erfaßt fühlte.
    »Wo willst du hin? was willst du tun?« So sprach Sever, denn der war’s, der den Freund festhielt.
    »Trage,« sprach Eugenius im Ton der düstern, auf alles verzichtenden Verzweiflung, »trage ich das Kainszeichen auf der Stirn? glaubst du, daß ich auf dem Wege des Mordes daherschleiche?«
    Sever faßte den Freund unter den Arm und zog ihn sanft fort, indem er sprach: »Frage mich nicht, mein geliebter Eugenius, woher ich alles weiß, aber ich weiß es, daß man dich durch die Künste der Hölle verlockt hat in die gefährlichsten Schlingen, daß ein satanischer Trug dich betörte, daß du dich rächen willst an dem schändlichen Bösewicht. Doch deine Rache kommt zu spät. Eben sind beide, der angebliche Graf Angelo Mora nebst seinem saubern Helfershelfer, dem verlaufenen spanischen Mönch Fermino Valies, von Regierungs wegen verhaftet worden und befinden sich auf dem Wege nach der Residenz. In der angeblichen Tochter des Grafen hat man eine italienische Tänzerin erkannt, die im letzten Karneval sich bei dem Theater St. Benedetto in Venedig befand.« –
    Sever ließ dem Freunde einige Augenblicke Ruhe, sich zu fassen, und übte dann über ihn die Macht, die jedem festen, klaren Gemüt eigen.
    Bei den sanften Vorstellungen, wie es eben der irdische Erbteil des Menschen sei, daß er oft nicht widerstehen könne der bösen Verlockung, wie aber oft der Himmel ihn errette auf wunderbare Weise, und daß in dieser Rettung eben Sühne und Trost zu finden, erweichte sich der in Verzweiflung erstarrte Sinn des Jünglings. Ein Tränenstrom stürzte ihm aus den Augen, er ließ es geschehen, daß Sever ihm die Pistolen aus der Tasche zog und abdrückte in die Luft. –
    Eugenius wußte selbst nicht, wie es sich begeben, daß er plötzlich mit Sever vor dem Zimmer der Professorin stand, durchbebt von der Angst des Verbrechers.
    Die Professorin lag erkrankt auf dem Bette. Doch lächelte sie beide Freunde mild an und sprach dann zu Eugenius: »Meine bösen Ahnungen haben mich nicht betrogen. Aus der Hölle hat Sie der Herr des Lichts errettet. Alles, lieber Eugenius, verzeihe ich – doch, o himmlischer Vater! darf ich denn von Verzeihen sprechen, da ich mich selbst anklagen muß? – Ach, erst jetzt, erst in meinem hohen Alter muß ich es einsehen, daß der irdische Mensch festgehalten ist im Irdischen durch Bande, denen er sich nicht entwinden darf, da der Wille der ewigen Macht sie selbst geschlungen. Ja, Eugenius, es ist ein törichter Frevel, die gerechten Ansprüche des Lebens, wie sie aus der Natur unseres Daseins entspringen, nicht gelten lassen zu wollen und hochmütig zu glauben, man wäre über sie erhaben! – Nicht Sie, Eugenius, ich allein habe

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