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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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herrlichen Felsenkeller hinterlassen, das nur durch einen großen Garten von Meister Wachts Grundstück getrennt wurde.
    Meister Wacht hatte den drolligen Leberfink gern, seiner Ehrlichkeit halber, und weil er auch ein Glied der kleinen protestantischen Gemeinde war, der man die Übung ihres Religionskultus gestattet hatte. Mit auffallender Bereitwilligkeit nahm Leberfink Wachts Vorschlag an, sich zu ihm zu setzen und noch eine Flasche Felsenbier zu trinken. Schon längst, begann Leberfink, habe er den Meister Wacht in seinem Hause aufsuchen wollen, da er mit ihm über zwei Dinge zu reden, wovon eins ihm beinahe das Herz abdrücke. Wacht meinte, Leberfink kenne ihn ja und wisse, daß man, sei es, was es sei, mit ihm geradeheraus sprechen könne.
    Leberfink eröffnete nun dem Meister im Vertrauen, daß der Weinhändler seinen schönen Garten mit dem massiven Gartenhause, der ihre, Wachts und Leberfinks, Grundstücke trenne, ihm unter der Hand zum Kauf angeboten habe. Er glaube sich zu erinnern, daß Wacht einmal geäußert, wie ihm der Besitz des Gartens sehr angenehm sein würde; zeige sich nun eine Gelegenheit, diesen Wunsch zu befriedigen, so erbiete er – Leberfink – sich dazu, den Unterhändler zu machen und alles in Ordnung zu bringen.
    In der Tat hatte Meister Wacht längst den Wunsch in sich getragen, sein Grundstück durch einen schönen Garten zu vergrößern; insbesondere weil Nanni sich stets nach den schönen Büschen und Bäumen sehnte, die, in üppiger Fülle duftend, aus jenem Garten emporstiegen. In diesem Augenblick schien es ihm überdem noch eine anmutige Gunst des Schicksals, daß gerade zur Zeit, als die arme Nanni solch tiefen Schmerz erfahren, sich unvermutet eine Gelegenheit darbot, ihr Gemüt zu erfreuen.
    Der Meister redete sogleich das Nötige mit dem dienstfertigen Lackierer ab, welcher versprach, daß der Meister künftigen Sonntag in dem Garten, als in seinem Eigentum, lustwandeln solle. »Nun!« rief Meister Wacht, »nun, Freund Leberfink, heraus damit, was Euch das Herz abdrücken will.«
    Da begann Herr Pickard Leberfink auf die erbärmlichste Art zu seufzen, die absonderlichsten Gesichter zu schneiden und kauderwelsches Zeug zu schwatzen, woraus niemand recht klug werden konnte. Meister Wacht wurde aber doch klug daraus, schüttelte ihm die Hand, sprach: »Dafür kann Rat werden« und lächelte für sich über die wunderbare Sympathie verwandter Seelen.
    Die ganze Episode mit Leberfink hatte dem Meister Wacht wohlgetan; er glaubte auch einen Entschluß gefaßt zu haben, vermöge dessen er dem schwersten entsetzlichsten Ungemach, das nach seiner verblendeten Meinung ihn erfaßt, widerstehen, ja es gar überwinden wollte. Nur das, was er tat, kann den Ausspruch des Tribunals im Innern kundtun, und vielleicht, sehr geneigter Leser, hat dies Tribunal zum ersten Male etwas geschwankt. – Mag hier doch eine kleine Andeutung stehen, die sich später vielleicht nicht füglich einschieben lassen würde. Wie es in derlei Fällen dann wohl geschieht, so hatte sich die alte Barbara an den Meister Wacht gedrängt und das Liebespaar vorzüglich deshalb verklagt, weil es beständig weltliche Bücher miteinander gelesen. Der Meister ließ sich ein paar Bücher, die Nanni hatte, herausgeben. Es war ein Werk von Goethe; leider weiß man nicht, was für ein Werk es gewesen. Nachdem er es durchgeblättert, gab er es der Barbara zurück, um es dort wieder hinzulegen, wo sie es heimlich weggenommen. Niemals entschlüpfte ihm ein einziges Wort über Nannis Lektüre, sondern nur einmal sagte er bei Tische, als es irgendeine Gelegenheit gab: »Es steigt ein ungemeiner Geist unter uns Deutschen auf, Gott gebe ihm Gedeihen. Meine Jahre sind vorüber, meines Alters, meines Berufs ist es nicht mehr; – doch dich, Jonathan, beneide ich um so manches, was der künftigen Zeit entsprießen wird!« –
    Jonathan verstand Wachts mystische Worte um so deutlicher, als er erst vor einigen Tagen zufällig, unter andern Papieren halb versteckt, auf Meister Wachts Arbeitstisch den »Götz von Berlichingen« entdeckt hatte. Wachts großes Gemüt hatte den ungemeinen Geist, aber auch die Unmöglichkeit erkannt, einen neuen Flug zu beginnen. –
    Andern Tages hing die arme Nanni das Köpfchen, wie eine kranke Taube. »Was ist meinem lieben Kinde,« sprach Meister Wacht mit dem liebreichen Tone, der ihm so eigen und mit dem er alles hinzureißen verstand, »was ist meinem lieben Kinde, bist du krank? ich will es nicht

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