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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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ein Zettelchen, worauf die Worte standen:
    »Voilà le cœur de Monsieur Pickard Leberfink, que je vous offre!«
    »Ojemine,« rief Rettel ganz erschrocken, »ojemine, was tun Sie, lieber Herr Leberfink? knien Sie doch nicht vor mir, wie vor einer Prinzessin; die schönen atlassenen – bekommen in dem feuchten Grase Flecken und Sie, Bester, den Schnupfen; dafür hilft Fliedertee und weißer Kandis.«
    »Nein,« rief der wilde Liebhaber, »nein, o Margaretha, nicht eher entsteigt der Sie auf das innigste liebende Pickard Leberfink dem feuchten Grase, bis Sie ihm gelobt, die Seine zu werden.« – »Heiraten wollen Sie mich?« sprach Rettel, »nun denn, frisch aufgestanden. Sprechen Sie mit meinem Vater, liebstes Leberfinkchen, und trinken Sie heute abend ein paar Tassen Fliedertee.«
    Was soll der geneigte Leser mit Leberfinks und Rettels Albernheiten noch länger ermüdet werden; füreinander geschaffen, wurden sie ein Brautpaar, und Vater Wacht hatte recht seine schalkische Freude daran.
    Durch Rettels Brautschaft kam ein gewisses Leben in Wachts Haus; selbst das Liebespaar gewann, weniger beobachtet, mehr Freiheit. Es sollte sich etwas Besonders ereignen, um diese behagliche Ruhe, in der sich alles bewegte, zu stören.
    Der junge Advokat schien auf besondere Weise zerstreut, mit irgendeiner Sache, die sein ganzes Wesen einnahm, beschäftigt; er begann sogar sparsamer Wachts Haus zu besuchen und vorzüglich an Abenden auszubleiben, die er sonst nie zu versäumen pflegte.
    »Was mag unserm Jonathan geschehen sein, er ist ja ganz zerstreut, ganz ein anderer worden, als er sonst war;« so sprach Meister Wacht, unerachtet er die Ursache oder vielmehr das Ereignis, das auf den jungen Advokaten so sichtlich einwirkte, wenigstens der äußern Erscheinung nach, sehr wohl kannte. Ja, er hielt dies Ereignis für die Schickung des Himmels, durch die er vielleicht dem großen, sein ganzes Leben verstörenden Unglück entgehen werde, von dem er sich bedroht glaubte.
    Vor wenigen Monaten war nämlich eine junge unbekannte Dame in Bamberg angekommen, deren ganze Erscheinung mystisch und sonderbar zu nennen. Sie wohnte im »Weißen Lamm«. Ihre ganze Umgebung bestand nur in einem eisgrauen Diener und in einer alten Kammerfrau.
    Die Meinungen über sie waren sehr verschieden. Manche behaupteten, sie sei eine vornehme, steinreiche ungarische Gräfin, welche Zwistigkeiten der Ehe nötigten, einen momentanen einsamen Aufenthalt in Bamberg zu nehmen. Andere machten sie dagegen zu einer gewöhnlichen Didone abandonnata; noch andere zu einer verlaufenen Sängerin, die bald die vornehmen Schleier abwerfen und als Konzertgeberin auftreten werde; wahrscheinlich müsse es ihr an Empfehlungen an den Fürstbischof fehlen; genug, die mehresten Stimmen einigten sich dahin, die Fremde, die übrigens nach den Aussagen der wenigen Personen, die sie erblickt hatten, von ausnehmender Schönheit sein sollte, für eine höchst zweideutige Person zu halten.
    Man hatte nun bemerkt, daß der alte Diener der Fremden dem jungen Advokaten so lange nachgeschlichen war, bis er ihn eines Tages am Brunnen auf dem Markt, den die Statüe des Neptun ziert (welchen die ehrlichen Bamberger gewöhnlich den Gobelmann zu nennen pflegen), festhielt und lange, sehr lange mit ihm sprach. Aufmerksame Gemüter, die niemanden begegnen können, ohne lebhaft zu fragen: »Wo mag er gewesen sein, wo mag er hingehen, was mag er treiben?« u.s. hatten herausgebracht, daß der junge Advokat sehr oft, beinahe täglich, zu nächtlicher Weile zu der schönen Unbekannten hinschlich und mehrere Stunden bei ihr zubrachte. Stadtgespräch wurde es bald, daß der junge Advokat sich in die gefährlichen Liebesnetze der jungen unbekannten Abenteurerin verstrickt habe.
    Meister Wachts ganzem Wesen mußte es gänzlich fremd sein und bleiben, diese scheinbare Verirrung des jungen Advokaten als Waffe gegen die arme Nanni zu gebrauchen. Daß sie alles haarklein und gewiß noch mit vergrößerten Umständen erfahre, dafür ließ er die Frau Barbara nebst dem ganzen Anhange der Basen sorgen. Der ganzen Sache setzte die Krone auf, daß der junge Advokat mit der Dame eines Tages ganz schnell abreisete; niemand wußte, wohin.
    »So geht’s mit dem Leichtsinn, hin ist des vorwitzigen Herrn Praxis,« sprachen die klugen Leute. Dies war aber nicht der Fall; denn zu nicht geringem Erstaunen aller besorgte der alte Eichheimer selbst die Praxis seines Pflegesohnes auf das pünktlichste, und eingeweiht in das

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