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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Harsdorfer.« – »Nun,« erwiderte der Ratsherr lächelnd, »das Lied war wenigstens ebenso wild und toll als die Liebe selbst.«
    Doch, o Himmel! in diesem Augenblick kam der Patrizier Harsdorfer einen Baumgang hinaufgeschritten, geradezu nach dem Rasenplatz hin, wo sich die Jünglinge befanden, an seiner Seite seine Tochter Mathilde, schön und anmutig wie ein junger Frühlingstag. Sie war sehr zierlich in ein knappes Gewand mit langen, weiten, bauschichten, vielfach geknüpften Ärmeln gekleidet. Der hoch hinaufgehende Kragen ließ nur die Form des schönsten Busens ahnen, und ein breites Barett, mit vielen Federn ringsumher geschmückt, vollendete den Reiz der italischer Sitte sich nähernden Tracht. Als sie sich den Jünglingen näherte, ließ sie, in jungfräulicher Scheu errötend, den Vorhang der seidenen Wimpern über die leuchtenden Himmelsaugen fallen. Doch nur zu gut hatte sie den erblickt, der in ihrem Herzen lebte.
    Ganz außer sich, von Liebeswahnsinn ergriffen, stürzte Raphael aus dem Kreise der Jünglinge, stellte sich vor Mathilden und sang:
    »So kommst du her,
    Schönst’ der Jungfrauen?
    Darf ich dich schauen?
    Wunderbares Bangen
    hält die Brust befangen.
    Schweigt, Abendwinde, Stimmen des Waldes!
    Wohllaut ist ihr Gang,
    ihr Atem süßer Gesang,
    alles huld’ge ihr
    im Lustrevier.
    Will sie zu euch sich neigen,
    seht den Himmel niedersteigen.
    Ha, Königin der Jungfrauen,
    soll’n sterben wir in Wonnen?
    In Wellen sprudelst, Liebesbronnen!
    O Schmerzen! O Lust!
    zerspaltet die Brust!
    Ach, dem kein Stern mehr brennet,
    dem ist die Ruh’ gegönnet.«
    Als er den Gesang vollendet, ließ er sich vor Mathilden auf ein Knie nieder und bat um den schönen Blumenstrauß, den sie in der Hand trug, und den sie ihm als Sängerpreis nicht verweigern konnte.
    Er nahm ihn, sich erhebend, drückte ihn an die Brust, netzte ihn mit Tränen und verteilte dann einige grüne Blätter davon an seine Gefährten, die jubelnd ihre Baretts damit schmückten.
    Man kann denken, daß das ganze Beginnen Raphaels ein herrliches Bild herbeiführte. So kam es, daß Personen jeden Standes einen Kreis geschlossen hatten und sich an dem anmutigen Schauspiel ergötzten.
    Selbst die strengsten Meistersänger, welche dem Raphael vorwarfen, daß er sich zu italischer Singerei hinneige, erstaunten über die Stärke und Annehmlichkeit des hellen Brusttons, mit dem Raphael sang; und ein paar gar Gelahrte stritten nur darüber, ob Raphael sich in seinem Gesange mehr an die grüne Lilienweis oder mehr an des Orphei sehnliche Klageweis gehalten.
    So lieblich, so hineinpassend in die Vergnügungen auf der Hallerwiese, so die Schranken der höchsten Ehrbarkeit beachtend nur aber auch die der schönen Mathilde dargebrachte Huldigung sein mochte, so mußte sich doch die zarte, züchtige Jungfrau dadurch schmerzhaft berührt fühlen, weil einer seine Liebe zu ihr auf viel zu ausschweifende Weise vor aller Welt ausgesprochen. Sie war ganz zerknirschte Scham, keines Wortes mächtig.
    Es hatten sich indessen mehrere Freunde um den edlen Patrizier Herrn Harsdorfer versammelt, und es gelang ihm, sich ohne Geräusch ganz in der Stille mit seiner Tochter im Volk zu verlieren.
    Raphael befand sich in der überseligsten Stimmung, und wie es in dieser Stimmung zu geschehen pflegt, sein Mut schwoll bis zum Übermut. Die Jünglinge beschlossen unter seiner Anführung noch einen Streifzug durch die ganze Hallerwiese zu unternehmen. Hier auf diesem Streifzuge war es, wo ihm eine der abenteuerlichsten Gestalten aufstieß. Ein alter, großer mißgestalteter Mann, in gestreifter buntscheckichter Kleidung, auf dem Barett drei hohe Pfauenfedern, ein ungeheures Schwert an der Seite, das er nur mit Mühe fortschleppte. Der ganze Kerl schien aus Justus Amann Kriegszug gesprungen zu sein.
    Erfährt der geneigte Leser, daß Meister Thomas, der Wirt zum »Weißen Lamm«, diesen wunderlichen Menschen begleitete, so hat es keinen Zweifel, daß der gestreifte Kriegsmann niemand anders war als der Unbekannte, den der Magister Mathias mit dem Namen Solfaterra anredete.
    Die Jünglinge erwählten alsbald den Unbekannten zu ihrem obersten Kriegsfeldhauptmann und ordneten einen Kriegszug an, der in der Tat lächerlich genug sich ausnahm.
    Voran schritten einige Jünglinge, die die Feldmusik auf mißtönende Weise nachahmten, alsdann kamen zwei, die das ungeheure Schwert des Hauptmanns trugen; ihnen folgte einer, der auf den Händen das Federbarett emporhielt, und ihm

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